Das Böse, das wir vom Guten unterscheiden, kann man nicht bezwingen. Man kann es nicht abschaffen. Es entsteht mit dem Guten, wie das Gute mit dem Bösen entsteht: durch das Unterscheiden. Immer gibt es einen Kontext, in dem das Gute Böses und das Böse Gutes enthält oder hervorbringt.
Figuren wie Superman und Batman jagen der Illusion nach, man könne das Böse bekämpfen und abschaffen. Aber selbst noch in diesen Cartoon-Geschichten entsteht dem Guten des Helden immer ein gleichgroßes Böses und man sieht weder das Böse, das beim Tun des Guten angerichtet wird, noch jene "Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Und ist z.B. Judas Ischariot nichts weiter als ein böser Verräter oder hat er - in der christlichen Lehre - nicht auch Gottes Plan, seinen eingeborenen Sohn hinzugebenDenn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh.3,16), gefördert und war eigentlich ein Wohltäter?
Erst seit auf Erden
Ein jeder weiß von der Schönheit des Schönen,
Gibt es die Häßlichkeit;
Erst seit jeder weiß von der Güte des Guten,
Gibt es das Ungute.
(Lao Tse: Tao Te King, Kap.2)Lao Tse: Tao Te King. Übersetzt von Günther Debon. Stuttgart: Reclam, 1961
Das heißt nicht, dass Gut und Böse beliebig sind. In einem gegebenen Kontext ist das eine Verhalten gut und das andere böse, und die meisten Menschen würden in vielen dieser Kontexte dieselbe Unterscheidung treffen. Insofern kann und soll man das Gute tun.
Die Theodizee ist die Frage der westlichen Theologie und Philosophie nach der Realität des Bösen und danach, wie Gott, der als allgütig und allmächtig gedacht wird, dieses Böse zulassen kann. Die traditionellen Antworten gehen von der Verwerfung dieser Realität und der Bestimmung des Bösen als nurmehr einer Abwesenheit des Guten ('privatio boni') bis zu der Ansicht, dass Gott uns den freien Willen gegeben habe, damit wir das Gute tun und das Böse lassen, und er in diesen Prozess nicht eingreift.
Was wir aber auf diese Weise zu beantworten suchen, ist eine Frage, die sich nur stellt, weil wir am Anfang ganz bestimmte Unterscheidungen machen. Wir kämpfen sozusagen mit unseren eigenen Prämissen, die wir durch die Antworten zu bestätigen und zu erhalten versuchen, anstatt sie aufzugeben.
Die Geschichte 'Genesis' von Roald DahlRoald Dahl (1953): Kiss Kiss. NY: Alfred Knopf; Dt: Küsschen Küsschen, Hamburg: Rowohlt, 1962. erzählt von einer Frau, der schon einige Kinder gestorben sind. Nun bringt sie einen Sohn zur Welt, und auch hier sieht es so aus, als würde er nicht überleben. Das Leid dieser Mutter ist überwältigend. Es geht aber gut; der anwesende Arzt tut sein Bestes und das Kind, Adolf Hitler, überlebt.