Schon immer hat die Menschheit versucht, sich die Welt -und sich selbst in ihr- durch gedankliche Systeme zu erklären. Zuerst durch Mythen, später dann durch die Philosophie. Diese philosophischen Systeme sind gewaltige Gedankengebäude, jedes von einzigartigem Reiz und majestätischer Größe.
Keines dieser immensen Gebäude bleibt jedoch unkritisiert, keines ist vollständig, keines ist widerspruchsfrei. Das jeweils nächste baut auf es auf, oder reißt es ein, je nach dem.
Manche davon versuchen hinauszudenken über die Grenze, in ein Jenseits, in die Welt des Dings-an-sich, der Ideen, der Transzendenz, von der her das Diesseits verständlich werden soll.
Andere versuchen, alles auf Diesseitiges zurückzuführen, etwa die materiellen, gesellschaftlichen oder psychologischen Bedingungen, und es mißlingt, weil dann doch wieder ein nicht weiter aufzuklärender Geist waltet, der eben vorgibt, in welche Richtung das Ganze zu gehen habe (Kommunismus, Herrschaft des Ich über das Es).
Schließlich, zuerst bei Nietzsche, die radikale Abkehrung von diesem Geist und von allen Werten, ein jenseitiges 'Nichts', das doch auch das Diesseits in seinen Grundfesten erschüttert und gerade dadurch den jenseitigen Einfluss wieder betont. So stehen wir seit jeher an der Grenze und sind wie jemand, der, um über die Mauer schauen zu können, auf seine eigenen Schultern steigen will.
Fest steht aber für mich, dass all dies in unserem Bewusstsein vonstatten geht -gleichgültig, worin dieses selbst wieder bergündet sein mag- und dass dieses Bewusstein, sprachlich unterscheidend und 'denkend', mächtige Systeme aufrichten und alsbald wieder übersteigen kann, und selbst noch in der Lage ist, dies von sich zu erkennen (wie Gödel es für die Mathematik getan hat); aber am Ende bleibt - das Mysterium. Und es bleibt das Gefängnis der Unendlichkeit, das, worüber wir nicht hinwegkommen und am Ende der Reise zum selben Punkt gelangen, wie Voltaires CandideVoltaire (1759): Candide ou l'Optimisme. Paris: Club des Classiques, 1969. Zitat: Schön gesagt, aber jetzt müssen wir unseren Garten bestellen. auf der seinen und man mit ihm -spöttisch oder ernst- ausrufen möchte: "Cela est bien dit, [...] mais il faut cultiver notre jardin".
Und wir kehren zurück zu unserem eigenen Leben, zum Alltag und zu den Mitmenschen, aber vielleicht nicht als dieselben, die aufgebrochen sind. Das alltägliche Handeln ist wie vorher, und doch verändert, so wie 2 und 2 immer noch 4 ist. Aber das Mysterium ist auch darin.