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Rationalität

Wachstum der Weltbevölkerung

Dies ist die grafische Darstellung des Wachstums der Weltbevölkerung. Mutatis mutandis gilt dieselbe Exponentialkurve, wie z.B. Stephen HawkingStephen Hawking: The universe in a nutshell. NY: Bantam, 2001 (Dt: Das Universum in der Nußschale. München:dtv) ausführt, auch für viele andere Bereiche: die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen (also die Wissensakkumulation), die Speicher- und Rechenkapazität unserer Computer (Moore's Gesetz), die Anzahl der angemeldeten Patente, der Energieverbrauch, die Produktion vieler Wirtschafts- und Verbrauchsgüter.

Man kann diese Kurve neben ihrer offensichtlichen und wahrhaft Furcht erregenden Aussage auch so anschauen, dass sich in diesem Wachstum die Zeit verkürzt, so als werde sie immer mehr zusammengedrängt: In einem Jahr unserer Zeit passiert so viel, wie in vielen Jahrhunderten davor. Anders ausgedrückt: wir leben nach Jahren ungefähr so lange wie unsere Vorfahren, aber nach den Veränderungen unserer Welt durchleben wir Jahrhunderte. Diese sind jedoch so verdichtet, dass es immer schwerer wird, etwas - und auch sich selbst - festzuhalten.

Wir brauchen das Spirituelle nicht mehr, weil wir uns die Welt nur irrational erklären können, sondern wir brauchen es nun, weil wir zu sehen beginnen, dass gerade unsere eigene Rationalität problematisch ist. Der Kritische Rationalismus Karl Popper und hier vor allem Hans Albert hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Versuch, die Rationalität rational zu begründen, in das sogenannte Münchhausen-Trilemma führt: Man gerät entweder in einen infiniten Regress, oder in einen Zirkelschluss, der voraussetzt, was er beweisen will, oder aber man muss auf die Vorgabe dogmatischer Grundannahmen zurückgreifen. Es wird also deutlich, dass die Rationalität den absoluten Halt nicht gibt, den wir uns einmal davon versprochen haben.

Vernunft und Rationalität werden häufig als Konstante gesehen: was gestern vernünftig und rational war, ist es heute auch. Das ist aber nicht so. Vielmehr entwickelt sich Rationalität mit der Entfaltung ihrer Wirkungen auch selbst. So wäre etwa zu fragen, ob eine Physik, die immer noch auf ihren ursprünglichen Prämissen - etwa dem Begriff der 'Substanz' - basiert, noch so rational ist, wie sie es ohne Zweifel einmal war, und ob unsere technisch-naturwissenschaftliche Erkenntnis der Natur nicht unversehens einer jetzt irrationalen ökonomischen Ausbeutung gewichen ist.

Im noch vorherrschenden Übergewicht eines Rationalen, das vor allem als 'Machbares' auftritt, sind wir, wie Wolfgang Giegerich in seinen Büchern zur "Psychoanalyse der Atombombe"Wolfgang Giegerich: Die Atombombe als seelische Wirklichkeit (1988) und: Drachenkampf oder Initiation ins Nuklearzeitalter (1989). Zürich: Schweizer Spiegel Verlag. darstellt, nicht mehr blind, weil es dunkel ist, sondern geblendet von der "Überhelle" und vom "Lichtblitz der Aufklärung".

Wir bräuchten also nach den Extremen eine Art Abklärung, damit die Dinge ins rechte Licht gerückt werden.

Francisco Goya y Lucientes: Los Caprichos: El sueño. Bildquelle: http://commons.wikimedia.org

"El sueño de la razón produce monstruos" betitelte GoyaFrancisco Goya y Lucientes:
Los Caprichos
eines seiner 'Caprichos'. Das heißt: 'Der Schlaf der Vernunft gebiert Monster'. So war es früher. Aber es heißt auch: 'Der Traum der Vernunft gebiert Monster'. So ist es vielleicht heute.
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