Der Schöpfungsglaube ist der Glaube an die Erschaffung der Welt und des Menschen in einem geplanten göttlichen Akt, sozusagen 'von oben' (top-down). Verbunden damit ist die Idee eines personalen Gottes, der auch persönliche Eigenschaften hat. Er'Er' ist eine dieser Eigenschaften hat die Welt so geschaffen, dass sie an uns angepasst ist, nicht wir an sie: sie existiert also für uns und wegen uns.
Dem steht die Evolutionslehre gegenüber. Sie beschreibt die Entstehung der Welt und des Menschen als eine Entwicklung, in der einfache Prozesse, Moleküle, etc. durch Iteration zu immer komplexeren Strukturen führen ('von unten', bottom-up). Demnach ist nicht die Welt an uns, sondern wir sind (zunächst) an sie angepasst und existieren 'wegen' ihr. Weil hier kein Platz für einen Gott, schon gar nicht für einen personalen, zu sein scheint, lehnen manche die Evolutionslehre und manche andere Gott ab.
Nach unserer gegenwärtigen kosmologischen Vorstellung, der sogenannten Urknalltheorie (Big Bang Theory), ist das Universum 13,7 Milliarden Jahre alt. Damit ist auch gesagt, dass es räumlich endlich ist, denn in endlicher Zeit kann nichts unendlich anwachsen. Es besteht aus ungefähr 100 Milliarden Galaxien, deren jede wieder ungefähr 100 Milliarden Sterne umfasst. Das Ganze hat einen geschätzten Durchmesser von etwa 92 Milliarden Lichtjahren.
Sofort erhebt sich die Frage, wie es sein kann, dass das Universum nicht nur 13,7 Milliarden Lichtjahre misst, sondern so viel mehr. Im Raum kann sich ja nichts schneller als das Licht fortbewegen, also kann sich auch nichts weiter als 13,7 Milliarden Lichtjahre entfernt haben. Man nimmt also an, dass sich der Raum selbst ausdehnt und immer noch entsteht, wie zu allen Zeitpunkten seit dem Urknall. Die Ausdehnung des Raumes selbst ist auch nicht, wie etwa die Ausbreitung der Galaxien im Raum, an die Begrenzung der Lichtgeschwindigkeit gebunden.
Die Galaxien des Universums drehen sich um ihre Zentren. Man stellte aber fest, dass die sichtbare Masse der Galaxien nicht ausreicht, um die äußeren Sterne einer Galaxie, die mit enormen Geschwindigkeiten um das Zentrum rotieren, in der Umlaufbahn zu halten und zu verhindern, dass sie einfach weggeschleudert werden. Es muss also eine Art Materie geben, die man nicht sehen kann, und sie muss ca. 25% der Gesamtmaterie ausmachen. Das ist die sogenannte 'Dunkle Materie', von der wir nicht einmal wissen, ob sie, wie die sichtbare, aus Elementarteilchen und Atomen aufgebaut ist.
Andererseits dehnt sich das Universum aus, und zwar, wie man u.a. aus den Doppler-Effekten sehr entfernter Supernova-Explosionen schließen kann, immer schneller. Eigentlich würde man erwarten, dass sich die Ausdehnung im Laufe der Zeit verlangsamt, weil ja Gravitationskräfte wirken. Für die Beschleunigung der Ausdehnung muss also eine Art von Energie verantwortlich sein, die der Gravitation entgegenwirkt. Man nennt sie die 'Dunkle Energie'. Die folgende Abbildung macht deutlich, wie überwältigend groß der - geschätzte - Anteil dieser hypothetischen 'Dunklen Seite' ist.
Weder die 'Dunkle Materie' noch die 'Dunkle Energie' kann man sehen oder mit irgendeiner uns bekannten Technik direkt beobachten. Ihre Existenz ist erforderlich, um die Urknalltheorie zu stützen. - Ein bisschen erinnert das an die sogenannten Epizyklen, komplizierte Zusatzannahmen, die zu Zeiten des geozentrischen Weltbildes erforderlich waren, damit die Berechnungen der Planetenumläufe stimmten und man an diesem Weltbild festhalten konnte.
Es gibt noch andere Unstimmigkeiten der Big-Bang-Theorie und man hat manchmal den Eindruck, dass sie auch aus 'Glaubensgründen' aufrechterhalten wird, denn sie hat eine unbestreitbare Nähe zur Schöpfung des Universums, dem 'fiat lux"Es werde Licht" (Genesis 1,3)' - nur eben nicht vor 6000, sondern vor 13,7 Milliarden Jahren. Andere Theorien, die sogenannten Nicht-Standard-Kosmologien, werden im derzeitigen Wissenschaftsbetrieb kaum beachtet oder gefördert und es gibt Fällez.B. den des amerikanischen Astronomen Halton Arp, in denen die Beschäftigung mit solchen 'Häresien' wissenschaftliche Karrieren erheblich beeinträchtigt hat.
Unser Universum ist extrem unwahrscheinlich, besonders was die Entwicklung von Leben angeht. Dazu müssen nämlich nicht nur biologische Parameter, sondern bereits ganz grundlegende physikalische Konstanten innerhalb eines sehr engen Bereiches aufeinander abgestimmt sein. Sonst wird's nichts. Wäre z. B. die Gravitation nur wenige Prozent schwächer, würden sich keine Sterne bilden; wäre sie stärker, würden Sonnensysteme und Galaxien zusammenfallen.
Das ist schon bemerkenswert und manche sehen darin ein starkes Indiz dafür, dass das Universum und also auch wir nur durch einen Akt der intelligenten Schöpfung ('intelligent design') und nicht durch 'planlose' Evolution entstanden sein können. Und tatsächlich, wenn man das eine Weile auf sich wirken lässt, und sich auch noch vorstellt, dass es von etwas so Großem wie einem Universum (möglicherweise) nur ein einziges gibt, erscheint es einem immer unglaublicher, dass sich so etwas nur durch eine Reihe von 'Zufällen' entwickelt haben sollte. Um so mehr, als wir ja auch bei unserer eigenen körperlichen und psychischen Entwicklung den Eindruck einer Zielgerichtetheit haben und häufig solche zielbestimmten, teleologischen Vorstellungen mit den physikalischen vermischen.
Wenn wir 20 mal würfeln und die Augenzahl der einzelnen Würfe notieren, erhalten wir eine Zahlenfolge, die eine Wahrscheinlichkeit von (1/6)20 hat, also ungefähr 1 : 3.656.000.000.000.000.
Trotzdem gibt es sie jetzt. Wie unser Universum. Und weil es sie gibt, beginnen wir darüber nachzudenken, warum es sie gibt:
Zufällig?
Oder weil es 3,656·1015 verschiedene Universen gibt, also auch unseres?
Oder weil wir möglicherweise die übergreifenden physikalischen Gesetze noch nicht gefunden haben, die alles zusammen erklären?
Wieso aber ausgerechnet diese Gesetze? Das ist wieder dieselbe Frage:
Warum ausgerechnet dieses Universum?
Ein Erklärungsversuch ist das sogenannte Anthropische Prinzipvgl. z.B. Stephen Hawking (1988): A brief history of time (Kurze Geschichte der Zeit). Oder Hägele, P.C. (2005) Die moderne Kosmologie und die Feinabstimmung der Naturkonstanten... S. externen Verweis oben auf dieser Seite.
Man kann dieses Prinzip folgendermaßen formulieren: Die Welt, die wir beobachten, muss so beschaffen sein, dass wir sie beobachten können. Es geht also in dieser Formulierung um die Beziehung zwischen der Welt und einem in ihr existierenden Beobachter. Nun wissen wir aber nicht, ob damit etwas über unsere Beobachterfähigkeit oder über die 'wahre' Beschaffenheit der Welt gesagt ist (s. dazu Kap. Mathematik).
Oft wird dieses Prinzip aber noch in anderer Weise, als schwaches anthropisches Prinzip, formuliert:
Das Universum ist so beschaffen, dass es (uns als) Beobachter zulässt.
Das dementsprechende starke anthropische Prinzip lautet etwa:
Das Universum ist so beschaffen, dass es notwendig (uns als) Beobachter hervorbringt.
Diese beiden Formulierungen sind aber nicht im strengen Sinne naturwissenschaftlich. Das erste ist im Grunde eine Tautologie, das zweite impliziert einen Zweck und schreibt damit einer Wirkung eine Ursache vor (anstatt sie zu ermitteln). Es scheint dann fast wieder, als sei das Universum an uns angepasst, anstatt wir an es (s.o.!). Es geht hier um die Dimension des Sinnes.
Alles, was wir durch seinen Zweck, ein Ziel, oder auch durch eine Schöpfung -als zielgerichteten Akt- erklären, wird in dieser Dimension des Sinnes erklärt, der unserem Erleben ebenso nahe wie der Naturwissenschaft fern liegt. Für die Naturwissenschaft macht es keinen Unterschied, ob etwas einen Sinn hat oder einfach nur existiert. Deshalb sind unsere Werkzeuge, die wir mit einem Sinn und einem Zweck herstellen, auch fundamental verschieden von den Naturereignissen oder den Dingen, die wir in der Natur vorfinden und uns erst hinterher Gedanken über ihren möglichen Sinn und Zweck machen.
Kreationisten und Anhänger der Lehre vom 'intelligent design' verwenden häufig das Gleichnis vom Uhrmacher (nach Descartes, William Paley1743-1805; englischer Geistlicher und Philosoph, u.a.):
Angenommen, wir finden mitten in der Wildnis eine Taschenuhr. Die Kompliziertheit und feine Abstimmung ihrer Rädchen und Federchen legen uns den Gedanken nahe, so etwas könne nicht einfach aus einem zufälligen (evolutionärenDie Evolutionstheorie Charles Darwins (1809-1882) basiert auf 1. zufälliger Mutation, 2. adaptiver Selektion.) Zusammenfinden all dieser Teilchen entstanden sein, sondern nur durch die absichtliche, sinnvolle Tätigkeit eines geschickten Uhrmachers. Ein Grashalm, ganz zu schweigen von einem Menschen, ist nun noch viel komplizierter und feiner abgestimmt als eine Uhr. Deshalb kann auch er nicht evolutionär sondern nur im Rahmen einer göttlichen Schöpfung entstanden sein.
Hier wird genau der Fehler gemacht, dass nicht zwischen Naturprodukten und Werkzeugen unterschieden wird. Vielmehr wird gesagt, dass alles Komplizierte geschaffen sein muss, weil es eben kompliziert ist. Von den Werkzeugen wissen wir, dass sie geschaffen sind, denn wir haben sie gebaut. Von der Natur wissen wir es aber nicht. Dass wir den Sinn bei den Naturereignissen hinterher hinzufügen, bei Werkzeugen jedoch vorher, wird ebenso unterschlagen wie der noch grundlegendere Umstand, dass in beiden Fällen wir selbst es sind, die diesen Sinn hinzufügen.
Angesichts der Schönheit und Komplexität der Natur können wir andächtig werden und ein Erlebnis des Großen haben, von dem wir Teil sind. Wir können dieses Erleben auch als auf Gott bezogen erfahren. Nicht aber können wir das aus der naturwissenschaftlichen Beschreibung herleiten oder diese selbst darauf beziehen. Und ganz gewiss ist es dazu auch nicht nötig, anzunehmen, dass Gott die Welt geschaffen hat wie wir eine Uhr!
Aristoteles, der über tausend Jahre lang einfach 'der Philosoph' war und unser Denken dementsprechend beeinflusste, gesellte seinen drei Ursachen, der causa formalis, causa materialis und causa efficiens, eine vierte hinzu, die causa finalis, also das Ziel und den Zweck. Diese 'Ursache' liegt aber in der Zukunft; im Schema von Ursache und Wirkung wird die Wirkung selbst zur Ursache gemacht. Das geht naturwissenschaftlich nicht, und wenn wir von irgend etwas einen Zweck annehmen oder ein Ziel, auf das es gerichtet ist, dann haben wir den Boden der naturwissenschaftlichen Beschreibung verlassen und eine neue Dimension in die Beschreibung eingeführt. Ziele und Zwecke sind psychisch, nicht physikalisch.
Wenn wir sagen, dass die Welt einen 'objektiven', also von unserer jeweiligen Betrachtung unabhängigen Sinn hat, dann sagen wir damit eben auch, dass sie durch ein Bewusstsein geschaffen wurde. Nur etwas so Geschaffenes kann nämlich einen Zweck, ein Ziel, einen Grundim Unterschied zur naturwissenschaftlich-kausalen Ursache -und damit einen Sinn- haben. Mit diesem Sinn muss es aber von einem Bewusstsein, in diesem Fall einem Schöpfer, ausgestattet worden sein.
Besonders auch in der Biologie treffen wir immer wieder auf teleologische Aussagen, nicht nur im Lamarckismus. Die Giraffen haben lange Hälse, damit sie die oberen Blätter an den Bäumen erreichen können, hieß es da einmal. Die Tiger haben Streifen, damit man sie im Dschungel nicht so leicht sehen kann. Die Blüten enthalten Nektar, damit die Bienen angelockt werden. (Oder, wie es der Physiker Harald Lesch scherzhaft audrückte: "Katzen haben die Löcher im Fell praktischerweise da, wo ihre Augen sind".)
Wir unterstellen so den biologischen Vorgängen eine inhärente Sinnhaftigkeit, wie wir es im Rahmen der Schöpfungsidee auch mit der gesamten Schöpfung tun: sie existiert für uns und ist an uns angepasst.
In der Physik würden wir zögern, etwa zu sagen: Die Sonne erzeugt Licht und Wärme, damit wir es hell und warm haben. Wir würden diesen Satz zu Recht nicht als naturwissenschaftlich gelten lassen.
"Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist" schreibt Ludwig Wittgenstein in seinem 'TractatusWittgenstein, Ludwig (1918/21): Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt: Suhrkamp, 1976.' (6.44).
Und in einer etwas humoristischeren Variante führt Douglas AdamsDouglas Adams (1980): Hitchhiker's Guide to the Galaxy, Vol.2: The Restaurant at the End of the Universe. London: Pan. aus:
There is a theory which states that if ever anyone discovers exactly what the Universe is for and why it is here, it will instantly disappear and be replaced by something even more bizarre and inexplicable.
There is another theory which states that this has already happened.