Wir möchten wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das, woraus sich alles andere herleiten lässt. Die Grundeinheiten der Materie, die unveränderbar und stabil sind. Schon im griechischen Altertum vermuteten manche, dass es solche kleinsten Einheiten gebe und nannten sie 'atomos', unteilbar.
Den ersten indirekten Nachweis solcher 'Atome' erbrachte der Engländer John Dalton 1803 anhand der invarianten Masseverhältnisse der Elemente chemischer Verbindungen. Um dieselbe Zeit (1802) machte sein Landsmann Thomas Young den ersten der sogenannten Doppelspaltversuche (über die weiter unten ausführlicher berichtet wird). Es ging dabei darum, die Wellennatur des Lichts nachzuweisen, die von Christiaan Huygens verfochten wurde, und die der auch von Newton angenommenen 'Korpuskulartheorie' widersprach, nach der das Licht aus Teilchen bestand. 1864 schuf der schottische Physiker James Clerk Maxwell die Theorie des elektromagnetischen Feldes, die das Licht als eine elektromagnetische Welle kennzeichnete.
So ungefähr war der Stand der Dinge als Max Planck 1895 seine Untersuchungen zur Wärmestrahlung aufnahm und herausfand, dass es tatsächlich etwas Unteilbares gab, nur war es kein 'Teilchen', sondern die Strahlungsenergie. Sie wird in kleinsten, einheitlichen Paketen, sogenannten 'Quanten', abgegeben und aufgenommen. Als Planck seine Ergebnisse im Jahre 1900 der Öffentlichkeit vorstellte, war das der Beginn der Quantenphysik und damit einer wissenschaftlichen Revolution, die in der Folge unser physikalisches Weltbild in ähnlicher Weise erschütterte wie die fünf Jahre später von Albert Einstein veröffentlichte Arbeit, in der die Spezielle Relativitätstheorie das -wie Einstein in demselben Jahr herausfand- gequantelte Licht der Welt erblickte. (Diese Lichtquanten nennt man heute 'Photonen'.)
Die Quantenphysik -um es gleich vorwegzunehmen- führte nun in den nächsten Jahrzehnten dazu, dass wir das, was wir gesucht hatten, nämlich eine zuverlässige Erkenntnis der 'reinen Materie' und der Grundbausteine unserer Welt, nicht nur nicht fanden, sondern dass sich unser Traum, als außenstehende und gegenüberstehende Beobachter diese Welt in ihren physikalischen Grundlagen zuverlässig erkennen zu können, in Wahrscheinlichkeitsfunktionen und Unbestimmtheitsrelationen auflöste. Auf der quantenphysikalischen Ebene zeigte sich die Welt nicht mehr als feste Realität, sondern als Menge von Möglichkeiten, nicht mehr als etwas Vorhersagbares, 'So-Seiendes', sondern als etwas, das sich in jedem Moment -auch durch unsere Beobachtung- erst ereignet. Die 'Substanz' löst sich auf; es bleiben Eigenschaften und eine Form, wie das Grinsen der Cheshire-KatzeLewis Carroll: Alice in Wonderland:
"»All right,« said the Cat; and this time it vanished quite slowly, beginning with the end of the tail, and ending with the grin, which remained some time after the rest of it had gone.".
Unser Standpunkt des außenstehenden Beobachters, der keinen Einfluss nimmt, sondern nur beobachtet, wie die Natur sich aus sich selbst heraus verhält, wird hinfällig, weil, wie Werner HeisenbergHeisenberg, Werner (1959): Physik und Philosophie. Stuttgart: Hirzel, 7.Aufl. 2007, S.85 schreibt, "das, was wir beobachten, nicht die Natur selbst ist, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung ausgesetzt ist". (Und Hans-Peter Dürr sagte einmal: "Faktum heißt 'gemacht'".)
Einige der grundlegenden Merkwürdigkeiten der Quantenphysik lassen sich an einem einzigen Versuch darstellen, dem oben bereits erwähnten Doppelspalt-Experimentvgl. dazu Feynman, Richard (1967): The character of physical law. S.127ff. und http://de.wikipedia.org /wiki/Doppelspaltexperiment (klicken) und/oder http://en.wikipedia.org /wiki/Double-slit_experiment
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Die Versuchsanordnung besteht aus einer 'Licht-Kanone' (K), die kohärentes, einfarbiges Licht auf eine Blende (B) schießt, in der sich zwei winzige Spalte nebeneinander befinden. Hinter der Blende ist in größerem Abstand ein Schirm (S), auf dem eingehende Photonen wie auf einer Fotografie registriert werden. Neben den Spalten sind in der Blende zwei Detektoren montiert (die roten Pünktchen), die Durchgänge von Lichtquanten durch die Spalte registrieren können.
Unter anderem zeigt sich nun folgendes:
(1) Schickt man Licht durch nur einen der Spalte, indem man den anderen verschließt, zeigt sich auf dem Schirm ein Streuuungsmuster (St): Das Licht verhält sich wie ein Teilchenstrom, also wie Partikel, etwa eine Serie von Geschossen, die aus einer fest montierten Waffe auf ein Ziel geschossen werden und dort mit einer gewissen Streuung einschlagen.
Wenn wir nun eine Kurve zeichnen, die ein Maximum an der hellsten Stelle des Bildes und Minima an den dunklen Rändern hat, sehen wir leicht, dass diese Kurve die Häufigkeit und also die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der ein Photon an der entsprechenden Stelle auftreffen wird.
(2) Schickt man Licht durch beide Spalte, würden wir dementsprechend ein Bild bzw. eine Kurve erwarten, die zwei nebeneinander liegende Häufungen (mit einem 'Tal' dazwischen), zeigt. Das geschieht aber nicht! Vielmehr erhalten wir ein völlig anderes Bild, ein Interferenzmuster (I). Das Licht verhält sich wie zwei Wellen, die von den beiden Spalten ausgehen und, ähnlich wie Wasserwellen auf einem Teich, sich gegenseitig durchdringen, an manchen Stellen verstärken und an anderen abschwächen.
(3) Wir wollen das nun noch genauer wissen und senden einzelne Photonen nacheinander durch einen oder beide Spalte. Dazu schalten wir die Detektoren ein, so dass wir sehen können, durch welchen der Spalte jedes einzelne Photon geht. Wenn nur ein Spalt offen ist, erhalten wir exakt dasselbe Bild wie unter (1). Wenn beide offen sind, erhalten wir nicht mehr das Interferenzmuster, sondern die vorhin erwartete Kurve mit den beiden Häufungen! Der Detektor zeigt an, dass jedes Photon entweder durch den einen oder den anderen Spalt gegangen ist.
(4) Schalten eir nun die Detektoren wieder ab und senden einzelne Photonen, während beide Spalte geöffnet sind, erhalten wir wieder das Interferenzmuster!
Das Experiment funktioniert mit Licht, aber auch mit Elektronen (die 1897 von dem Engländer Joseph John Thomson entdeckt wurden), anderen Elementarteilchen, ja sogar größeren Einheiten, wie dem sogenannten Fulleren (C60; ein fußballähnliches Gebilde aus 60 Kohlenstoffatomen). Der erste Versuch mit Elektronen wurde 1961 als Doktorarbeit des Physikers Claus Jönsson in Tübingen gemacht und 2002 von 200 internationalen Physikern zum schönsten Experiment aller Zeiten gekürt.
Und was bedeutet das alles?
In (1) und (2) sahen wir, dass sich Licht manchmal wie ein Teilchen und manchmal wie eine Welle verhält. Was ist es 'wirklich'?Wir können prinzipiell nicht vorhersagen, durch welchen Spalt ein bestimmtes Photon gehen wird, denn wenn eine solche Vorhersage möglich wäre, müsste es gleichgültig sein, ob wir sie hinterher messen oder nicht und das Ergebnis des Versuchs (3) düfte nicht von dem in (4) abweichen. In (4) wissen wir auch nicht mehr, welchen Weg das Photon überhaupt nimmt, denn es sieht so aus, als sei es gleichzeitig durch beide Spalten gegangen und interferiere also mit sich selbst. (Man kann die sogenannte Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation, nach der es unmöglich ist, den Ort und den Impuls - die Geschwindigkeit - eines Teilchens gleichzeitig zu messen, auch so formulieren, dass es prinzipiell unmöglich ist, einen Apparat zu konstruieren, der die Photonendurchgänge nur misst, aber nicht beeinflusst (Feynman, 1967Feynman, Richard (1967): The character of physical law. S.143.)).
Die Sicherheit, mit der wir etwas bestimmen und vorhersagen können, schwindet dahin und wird ersetzt durch Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Damit schwindet auch die zweiwertige Logik, nach welcher etwas entweder so ist oder eben nicht. Davon ist auch die 'normale' Kausalität betroffen, nach der eine sichere Ursache auch eine sichere Wirkung hat. Und nicht zuletzt schwindet die Materie selbst, wie wir sie bisher verstanden haben.
All das ist mit der klassischen Physik unvereinbar. Diese geht nämlich davon aus, dass etwas entweder ein Teilchen oder eine Welle ist und dass die Beobachtung oder Messung das gemessene Objekt selbstverständlich nicht verändert. Tut sie das doch, dann können wir nicht mehr von einer unabhängigen Beobachtung sprechen. Die Unterteilung in eine Messapparatur und einen Mess-Gegenstand wird hinfällig. Man kann auch sagen, dass die hier beobachtete Wirklichkeit erst durch die messende Beobachtung erzeugt wird bzw. von ihr nicht zu trennen ist.
Wir können nicht mehr sagen, was 'ist', sondern nur noch, dass es sich 'wie' etwas verhält oder 'so ist wie...'. Unsere Alltagssprache, auf die wir auch in der Quantenphysik zur Beschreibung der Versuche und experimentellen Anordnungen angewiesen sind, versagt auf einmal bei der Beschreibung der Ergebnisse und wir müssen auf Gleichnisse zurückgreifen. Mathematisch, so versichern uns die Physiker, ist alles ganz klar und kann im Wesentlichen durch eine Gleichung des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger1887-1961, Nobelpreis 1933 beschrieben werden, nur in Worte fassen und 'verstehen' kann man es nicht.
Für das Wellen-Korpuskel-Problem des Lichts schlug Niels Bohr den Begriff der Komplementarität vor, der das Kernstück der sogenannten Kopenhagener Deutung der Quantenphysik ist. Die Beschreibungen der Lichtphänomene als Teilchen oder als Welle beziehen sich auf dasselbe -das Licht- und schließen sich dennoch gegenseitig aus; es kann nicht beides zugleich sein. Sie sind auch nicht aufeinander reduzierbar. Komplementarität ist damit eine Art Vereinigung des 'Entweder-Oder' mit dem 'Sowohl-Als-Auch', etwas, was es in der Naturwissenschaft eigentlich nicht geben sollte.
In unserem Alltag haben wir dennoch eine stabile Wirklichkeit und bei den meisten mesokosmischen Phänomenen spielen die Absonderlichkeiten der Quantenphysik keine Rolle.
Diese stabile Wirklichkeit entsteht durch die Wechselwirkung der 'Teilchenwellen' mit ihrer Umgebung. Dabei scheint es so zu sein, dass nicht die Umgebung auf das Quantensystem wirkt, sondern dieses auf jene, und dass diese 'Umgebung' das gesamte Universum ist. Jede Veränderung eines Quantensystems, jede Wechselwirkung zwischen zwei 'Teilchenwellen', verändert also alles und schafft neue Möglichkeiten (die zwar nicht beliebig aber dennoch zumindest praktisch unendlich sind). Und jede dieser Möglichkeiten könnte vielleicht ein neues Universum sein (Everett's 'Viele-Welten'-Interpretation; in vielen davon komme ich vor, und Sie auch).
Nun ist aber die Vorstellung, dass dauernd Myriaden neuer 'realer' Universen als Parallel-Welten entstehen, geradezu absurd. Vielleicht kann man es sich so denken, dass es eine 'Quantenrealität' gibt, die sich in der Tat dauernd verzweigt und wir jeweils immer nur eine dieser Möglichkeiten beobachten: sie wird im klassischen Sinne 'real'.
Der Heidelberger Quantenphysiker Dieter ZehZeh, H.D. (2007): Wozu braucht man 'Viele Welten' in der Quantentheorie? www.zeh-hd.de schreibt:
Tatsächlich bilden Everetts 'Welten' eine gewisse Analogie zu inhaltlich voneinander unabhängigen und getrennt betrachtbaren Radio- oder Fernsehsendungen, die alle gleichzeitig als eine elektromagnetische Welle den (hier dreidimensionalen) Raum füllen - nur daß in der globalen Quantenwelt der Zuschauer selber Teil jeweils einer der 'Sendungen' ist (die entscheidende neue Erkenntnis).
So sind wir als Beobachter unentwirrbar mit unseremvgl. dazu das 'Anthropische Prinzip' auf der Seite --> kosmos.html Universum verbunden. Es ereignet sich, könnte man sagen, durch uns (was aber natürlich nicht heißt, dass wir uns die 'Sendung', an der wir teilhaben, auch aussuchen können).
Ich habe versucht, diese Welt der Quantenphysik so knapp wie möglich zu umreißen, denn es geht mir eigentlich darum, zu zeigen, dass wir auch hier an eine Grenze unserer Erkenntnis und unseres Verständnisses stoßen. An dieser Grenze sind wir nicht mehr gegenüber; wir sind keine unabhängigen, von den Vorgängen getrennte Beobachter mehr, wir können, wie Hans-Peter Dürrin seinen Vorträgen. S.a.: Dürr, Hans-Peter (2007): Unbelebte und belebte Materie: Ordnungsstrukturen immaterieller Beziehungen - Physikalische Wurzeln des Lebens. In: http://www.gcn.de/publik.html [21.10.07] betont, nicht einmal mehr sinnvoll von Teilen und Ganzem reden, sondern es erschließt sich etwas, was in seiner Gesamtheit unteilbar, nicht-dual (mit dem Sanskrit-Wort: advaita) ist. Und wo wir ausgingen, nach den unteilbaren Elementen im Kleinsten zu suchen, finden wir eine Unteilbarkeit im Größten. Es gibt keine unabhängige Existenz einzelner 'Teile' (oder 'Teilchen'). - Erstaunlicherweise ist das auch eines der zentralen Postulate des Buddhismus und des vedantischen Hinduismus.
Das bedeutet natürlich nicht die Einführung des 'Bewusstseins' oder Gottesder Buddhismus ist ja auch eine sozusagen 'gottlose' Religion, und auch in der Advaita Vedanta spielen 'Götter' kaum eine Rolle. als auslösendes Element in die Physik. Nach wie vor findet keine irgendwie geartete psychische oder nicht-physikalische Verursachung statt. Und es bedeutet auch nicht, dass quantenphysikalische Eigenheiten kurzschlüssig als Gottesbeweise dienen können oder als esoterische Möglichkeiten, uns unsere Realität (oder unser Erleben) nach unseren Wünschen zusammenzubauen.
Aber es wirft ein Licht auf einen Grundpfeiler unserer (westlichen) Philosophie, nämlich unser Bestreben, alles als Substanz zu verstehen oder auf Substanz zurückzuführen. Wir haben, vielleicht als ein Resultat der cartesischen und spinozistischen Substanzenlehre, große Schwierigkeiten, etwas zu denken, dem keine Substanz entspricht. Und hier nun, in der Quantenphysik, löst sich die Substanz zusehends auf...
"Die Zukunft ist offen, aber nicht beliebig", sagt Dürr. Immerhin ist sie offen, denn der strenge physikalische Determinismus, der sogenannte LaPlacesche Dämon, der bei bekannten Ausgangsbedingungen die Vorausberechnung des Universums in alle Ewigkeit erlaubt, existiert nicht mehr. Beliebig ist sie aber nicht, denn es gelten z.B. immer noch die Hauptsätze der Thermodynamik.