Es ist erstaunlich schwer, den Glauben klar zu definieren. Das allein weist schon darauf hin, dass es sich um etwas handelt, das primär dem subjektiven Erleben zugehört. Versuchen wir stattdessen, die Verwendung des Wortes 'Glaube' zu beschreiben:
1. Glaube als Für-Wahr-Halten: Ich glaube etwas, was ich nicht weiß, ihm aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit zubillige; ich glaube, was ich nicht wissen kann, also etwa ein zukünftiges Ereignis oder Berichte über vergangene Ereignisse, die ich nicht selbst erlebt habe.
2. Glaube als Deutung und Sinnfindung: Ich kreiere einen Kontext, so dass bestimmte Ereignisse sinnhaft fassbar werden. 'Ich glaube, Gott tut das, weil er uns etwas zeigen will.'
3. Glaube als Vertrauen und Beziehung: ich glaube dir; ich glaube nicht, dass sie zu so etwas fähig wäre; ich glaube an Gott als personales Wesen.
4. Glaube als das System von Vorschriften, Ritualen und Glaubenssätzen, das eine bestimmte Religion oder Konfession definiert.
Und schließlich 5.
Glaube als das Erlebnis, in allem, was einem widerfährt, insbesondere auch in dem unserem Wollen Zuwiderlaufenden und in den Widrigkeiten, geführt und aufgehoben'aufgehoben' im dreifachen Hegelschen Sinne: aufgelöst, bewahrt, emporgehoben zu sein, das Erlebnis der unwiderruflichen Teilhabe. Dieser Glaube macht in der Tat selig.
Er ist zunächst ein Erlebnis, das subjektiv genau so gewiss besteht wie etwa die subjektive Erfahrung des Freien Willens. Er ist aber kein Zustand, immer ist es flüchtig, ein Ereignis oder eine Handlung wie das Innehalten, das Erinnern oder das Nachdenken, gegenwärtig als innerer Vollzug. Das erste Erlebnis dieses Glaubens ist vielleicht ähnlich dem, was in der Tradition des Ostens 'Erleuchtung' genannt wird. Aber es ist, wie gesagt, für die allermeisten keine dauerhafte Veränderung, sondern etwas, das nur durch die entsprechende Tätigkeit erhalten werden kann. Und man kann dieses Erlebnis nicht erzwingen oder bewirken: immer wohnt ihm ein Element der Gnade inne, das es für die bewirkenden Strebungen des Ego unzugänglich macht. Bewirken kann man nur eine Bereitschaft dazu: sie entsteht durch große Not (Johannes vom Kreuz nannte es die 'dunkle Nacht der Seele') oder durch regelmäßige Exerzitien.
Ich weiß, dass der Erdumfang am Äquator ungefähr 40.000km beträgt. Nachgemessen habe ich es aber nicht. Man könnte also sagen, ich glaube es nur.
Das wäre dann das Für-Wahr-Halten. Der Glaube im spirituellen Sinn hat aber damit nichts zu tun; für ihn zählt nichts Beobachtbares oder Messbares, sondern das Erleben, der innere Vollzug.
In diesem Glauben ist das Duale, das Gegenüber-Stehen, und damit die Struktur des Ego aufgehoben; auch deshalb wohl ist so schwer, es anders als in Bildern und Gleichnissen zu beschreiben, denn die erklärende Sprache ist vor allem das Werkzeug des Ich-Bewusstseins.