10.9.2005
Achtsamkeit

Besonders schön und anrührend ist, wenn an wichtigen Forschungsstätten der Welt die Erfindung des Rades sozusagen amtlich und offiziell erkannt und bestätigt wird.

Jetzt also ist man am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim achtsam geworden auf die Achtsamkeit als therapeutisches Werkzeug (Deutsches Ärzteblatt PP, 9/2005, 415ff.). Wir gratulieren. Meine alten Gestalt-Lehrer lassen ausrichten, dass auch sie sich ganz wahnsinnig freuen.
14.6.2005
Festschrift

Prof. Dr. Niels Birbaumer, einer meiner ehemaligen Professoren und Chefs, wird in einer Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum des Stuttgarter Studienzentrums für Verhaltensmedizin und Psychotherapie interviewt und holt zu einem Rundschlag aus, bei dem psychotherapeutisch und medizinisch kein Stein auf dem andern bleibt, außer seinen eigenen natürlich, die er zu einem Bollwerk akademischer Arroganz aufwirft. Machen wir eine kurze Besichtigung:

Die Liebe zur kognitiven Therapie in der Verhaltenstherapie ist nichts anderes als die Reflexion der [...] Verstärkerkontingenzen der Krankenkassen und der Geldgeber für die Psychotherapeuten und deren damit verbundene Bequemlichkeit und wissenschaftliche Ignoranz.
[...]
[Mit bedeutsamen Behandlungseffekten durch psychologische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen ist nicht zu rechnen] solange das Gespräch die Basis der Verhaltenstherapie bleibt. Wie wäre es sonst zu erklären, dass verhaltensmedizinische Störungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische Erkrankungen wie Dystonien und Epilepsien, die Rehabilitation neurologischer Erkrankungen, Bruxismus, chronische Schmerzen, Enuresis und Enkopresis, heute wieder mit vollkommen insuffizienten Methoden von schlecht ausgebildeten Medizinern behandelt werden und nicht mit den indizierten effektiven und erprobten verhaltenstherapeutischen Verfahren. [...] Alle genannten Erkrankungen können nicht mit verbalen verhaltenstherapeutischen Methoden erfolgreich behandelt werden, sondern erfordern entweder maschinell-elektronische Hilfen, wie z.B. Biofeedbackgeräte, oder sehr lange und daher auch langweilige Trainingsmaßnahmen, wie z.B. die Physical-Restraint-Therapy von Taub oder die von uns entwickelte akustische Stimulationstherapie bei Phantomschmerzen und anderen chronischen Schmerzzuständen.
[...]
Wenn die Praxis weiter so gehandhabt wird wie bisher, wird dies aber für die Entwicklung der praktischen Verhaltenstherapie keine Bedeutung haben, da all diese Verfahren mit operanten Techniken, technologischen Hilfen und pharmakologischen Manipulationen arbeiten werden. In jedem Fall werden sie ohne das übliche 'Gequatsche' auskommen und solange dies die Lieblingsbeschäftigung der Verhaltenstherapeuten bleibt, wird die praktische Verhaltenstherapie von den Beiträgen der Forschung nicht profitieren.
[...]
...die Verhaltenstherapie erfordert hier immer wieder dieselbe Wiederholung derselben Handgriffe und derselben Worte und derselben Stimuli und eine rigorose Manipulation und Steuerung der Verstärkungskontingenzen in der Umgebung des Patienten. An derartigen unattraktiven Maßnahmen, die weder dem Patienten noch dem Therapeuten Unterhaltung und Freude bereiten, sind die Psychotherapeuten nicht interessiert.
[...]
Warum sollte sich der Verhaltenstherapeut aus seinem gemütlichen Entspannungsstuhl in seiner Praxis erheben und derartige Maßnahmen durchführen, wenn er für die bequeme Position in seinem Entspannungsstuhl dasselbe Honorar erhält?

Da geht sie hin, meine gemütliche Ruhe. Ich erhebe mich aus meinem Entspannungsstuhl und führe ein paar Maßnahmen durch, für die ich natürlich kein Honorar kriege und die außerdem verbal sein werden, obwohl sie weder Unterhaltung noch Freude bereiten, aber was tut man nicht alles für seine Bequemlichkeit.

Um gleich zum Kern der Sache zu kommen: Das wirklich Üble ist hier nicht, dass in der Verhaltenstherapie das Wissen, die Maschinerie und die 'Manipulationen' der Neurobiologie eingesetzt, sondern dass sie darauf reduziert werden soll, indem die verbalen Methoden, die damit verbundene umfangreiche Forschung und vor allem die Psyche selbst, die Kraft des Wortes (für die es inzwischen ebenfalls eine beträchtliche neurobiologische Evidenz gibt) und die geistige Auseinandersetzung als ein dem Menschen Wesentliches, für den Bereich der Heilkunde diskreditiert und geleugnet, ihre Vertreter zu faulen Ignoranten und dafür die Psychotherapeuten zu neurobiologischen Ingenieuren gemacht werden. Und wenn ein inzwischen 60-jähriger renommierter Psychologe und Wissenschaftler kein gutes Haar an seinen praktisch tätigen Kollegen lassen kann, sie lieber abkanzelt wie renitente Untergebene und sich aufführt wie Thomas Bernhard (der schon selber besser daran getan hätte, sich nicht wie Thomas Bernhard aufzuführen), dann wäre ein bißchen Entspannung vielleicht gar nicht schlecht.

Ich gehe mit gutem Beispiel voran, indem ich der Frage, wie ein verhaltenstherapeutisches Ausbildungsinstitut auf die Idee kommen kann, eine derartige Herabwürdigung eines Teils seiner eigenen Arbeit, seiner Dozenten und Supervisoren ausgerechnet in eine Jubiläums-Festschrift aufzunehmen, jetzt nicht weiter nachgehe, sondern mich wieder in meinen gemütlichen Stuhl zurückziehe.
4.4.2005
Hirnforschung

Im Deutschen Ärzteblatt (102, Ausgabe 13 vom 1.4.05, Seite A-861) schreibt Norbert Jachertz:

Wie frei entscheidet sich der Mensch? Dieser Fragestellung nehmen sich neuerdings die Feuilletons mit besonderer Verve an. Anlass geben Erkenntnisse der Hirnforschung, die am freien Willen zweifeln lassen, diesmal naturwissenschaftlich begründet. Der freie Wille erscheint danach als Konstrukt, als Hilfsmittel, um im Alltag menschliches Verhalten erklären zu können. Doch in Wirklichkeit laufen kurz vor der vermeintlichen Willensentscheidung im Gehirn blitzschnelle neuronale Prozesse ab. Angeborene und erworbene, im Gehirn abgelegte Informationen spielen ein autonomes Spiel, dessen Ausgang feststeht, bevor der Mensch seine bewusste Entscheidung getroffen hat.
[...]
Als kürzlich die Max-Planck-Gesellschaft den Einfluss aktueller Ergebnisse der Hirnforschung auf das Strafrecht (Motto: "Freier Wille unter Neuronenfeuer") zur Diskussion stellte, prallten zwei Welten aufeinander. Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, Richterin aus Karlsruhe, vermochte nicht zu akzeptieren, dass ein Täter nicht aus freiem Willen handelt und damit strafunmündig wäre. Da bleibe schließlich nur das Wegschließen, resümierte sie ratlos. Und was sei mit den NS-Tätern, hätten die keine Schuld? Ihr Gegenüber, Wolf Singer, Hirnforscher aus Frankfurt, verwies auf die wissenschaftliche Erkenntnis, die nunmal so sei. [...]

Braucht man eigentlich ein Hirn zur Hirnforschung? Libet quod libet?
24.3.2005
Krankenstand

Ein Mann kommt mit Husten zum Arzt. Der verschreibt Rizinus. Bei der nächsten Konsultation fragt er den Patienten: 'Na, husten Sie noch?'
Der antwortet: 'Doktor, trau ich mich denn?'


Professor Lauterbach, der regierungsberatende Gesundheitsökonom, ist auch so ein Schlingel: Das Deutsche Ärzteblatt berichtet heute, er habe der Osnabrücker Zeitung zum historisch niedrigen bundesrepublikanischen Krankenstand erzählt, Deutschland habe inzwischen "die gesündesten Belegschaften in ganz Europa".
3.2.2005
Hilfspersonal

Die Psychotherapeuten, insbesondere die, die als deren Vertreter auftreten, zeigen eine unglaubliche Engstirnigkeit und sehen als einzige diskussionswürdige Problematik ihr eigenes Honorar.
Honorarprobleme von medizinischem Hilfspersonal jedoch, ob dieses nun über die KVen abrechnet oder nicht, erwarte ich in einem 'Forum für alle Ärzte' nicht.

Das schreibt Frau Dr.med. Maria Hoffmann in einem Beitrag zu einem der Foren auf www.facharzt.de am 2.2.05 (und zwar anlässlich des weiter unten [24.1.05: Versuchung] berichteten Rundschreibens der KV Berlin.)

In einem weiteren Beitrag, ebenfalls 2.2.05, legt sie dar:

Keinesfalls hatten die Psychotherapeuten den schlechtesten Punktwert. In nahezu allen KVen hat die Krone der Medizin, die Chirurgie, die niedrigsten Punktwerte, die niedrigsten Umsätze und die bei Weitem erbärmlichsten Gewinne.
Wie weit wollen wir uns noch von medizinischem Hilfspersonal bevormunden lassen?
An ärztliche Psychotherapeuten: Arbeiten Sie als Arzt, sind Sie Kollege. Arbeiten Sie als Psychotherapeut, sind Sie es nicht.

Also, wenn ich raten sollte, würde ich sagen: Frau Dr. Hoffmann ist Chirurgin.

Sie hat übrigens von KollegInnen (auch 'echten'!) ein paar auf die Krone gekriegt.
29.1.2005
Gewohnheitstäter

Der VPP berichtet:

Die Honorarbescheide, die die PsychotherapeutInnen Nordrheins in den letzten Tagen erreicht haben, machen das Maß nun endgültig voll: AOK, IKK und KVNo setzen nicht nur nicht den vom Aufsichtsministerium bewilligten Beschluss des Bewertungsausschusses zur Anhebung der Psychotherapeutenhonorare um, sondern zahlen einen Restpunktwert aus, der einer zynischen Abwertung und völligen Missachtung der psychotherapeutischen Versorgung gleichkommt:
Der IKK Nordrhein ist die psychotherapeutische Behandlung ihrer Versicherten 87 Cent pro Stunde wert, der AOK ganze 4,69 Euro.

Im Strafrecht wäre wahrscheinlich so langsam Sicherungsverwahrung angesagt.
24.1.2004
Versuchung

Vor ein paar Tagen schrieb die Berliner KV an "Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen":

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Beschluss des Bewertungsausschusses zur Festlegung der angemessenen Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nicht beanstandet. Er ist nunmehr rechtskräftig. Damit haben diese Ärzte und Psychotherapeuten für den Zeitraum 2000 bis II. Quartal 2004 Anspruch auf eine Nachvergütungssumme von rund 66 Millionen Euro. Gleichzeitig steht fest, dass der vom Bewertungsausschuss festgelegte Mindestpunktwert für genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen von der KV schon für die laufende Abrechnung des III. Quartal 2004 zu gewähren ist. Dadurch entsteht für dieses Quartal ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von etwa 6 Millionen Euro. Gemäß gesetzlicher Vorgaben sind wir verpflichtet, diese Summe aus dem Honorartopf der Fachärzte zugunsten der psychotherapeutischen Leistungserbringer umzuverteilen.
Wir weisen Sie für das III. Quartal 2004 schon vor Auskehrung der Restzahlungen darauf hin, dass die Honorare der Fachärzte um etwa zehn Prozent sinken werden. Da Sie Ihre Abschlagszahlungen für dieses Quartal in noch nicht reduzierter Höhe erhalten haben, wird sich Ihre Restzahlung im Februar möglicherweise halbieren. Über den dadurch entstehenden ökonomischen Druck auf Ihre Praxen sind wir uns im Klaren, und wir werden den finanziellen Mehrbedarf umgehend bei den Krankenkassen geltend machen. Den Kassen werden auch die drohenden Folgen für die ambulante fachärztliche Versorgung in Berlin aufgezeigt, wenn sie eine Übernahme dieses von ihnen selbst genehmigten finanziellen Mehrbedarfs verweigern oder auf Zeit spielen. Offen ist nach wie vor auch die Finanzierung der Nachvergütung psychotherapeutischerLeistungserbringer in Höhe von rund 66 Millionen Euro für den Zeitraum von 2000 bis II/2004. [...]

Ich übersetze:
Wir haben seit Jahren gewohnheitsmäßig und in voller Kenntnis der vom BSG mehrfach festgestellten Rechtswidrigkeit Beträge, die den Psychotherapeuten zustehen, an andere ausgezahlt. Wir haben weder Rücklagen gebildet, noch den "finanziellen Mehrbedarf umgehend bei den Krankenkassen geltend" gemacht. Wir finden es eine Unverschämtheit, dass wir mit dieser lieben Gewohnheit aufhören und für die Folgen geradestehen sollen. Es ist alles nur die Schuld der Psychotherapeuten.

Die bange Frage ist, ob der fachärztliche Intellekt der Versuchung widerstehen wird, seiner in dem KV-Schreiben zum Ausdruck kommenden Abwertung zu entsprechen.
8.12.2004
Krakenkassen

Das Magazin Focus (zit.n. Deutsches Ärzteblatt) berichtet am 6.12.:

Mit irreführenden Schreiben versuchen gesetzliche Krankenkassen, Langzeitarbeitslose zu einem Wechsel ihrer Versicherung zu drängen.
...
Hintergrund ist eine Gesetzesänderung, wonach die Krankenkassen ab Januar für Arbeitslosengeld-II-Bezieher nur noch einen Pauschalbetrag von 124 Euro pro Monat erhalten - bislang erstatten die Sozialämter die tatsächlichen Kosten für die medizinische Versorgung.
...
In einem Brief hatte laut FOCUS beispielsweise die BKK Mobil Oil einen Sozialhilfeempfänger aufgefordert, sich "umgehend eine Krankenkasse zu suchen", bei der er "künftig Mitglied sein wolle".
Ähnliche Schreiben verschickte die IKK Hamburg.
...
Ein Sprecher der BKK Mobil Oil sagte zu FOCUS: 'Wir waren verpflichtet, die Kunden anzuschreiben und auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.'

7.12.2004
Packtricks

Neuerdings sind Pharmafirmen dazu übergegangen, den entgangen geglaubten Gewinn dadurch doch noch zu realisieren, dass sie die Packungen vergößern.

Warum sind die denn da nicht früher drauf gekommen? Anstaltspackungen für alles und alle.
20.9.2004
KBV

Die KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung; aber man fragt sich langsam schon, ob das "K" nicht noch was anderes bedeutet), die bereits zum wiederholten Mal vom Bundessozialgericht dazu verurteilt wurde, für Honorargerechtigkeit bei den Psychotherapeuten zu sorgen und die diese höchstrichterlichen Urteile zum ebenso wiederholten Male ignoriert und unterlaufen hat, nach dem Motto: wir lassen uns doch von irgendwelchen dahergelaufenen Bundesrichtern nicht an der Ausübung unserer Macht hindern; diese KBV also hat nun den korrigierenden Beschluss des von ihr und den Krankenkassen gebildeten Bewertungsausschusses zur Honorierung psychotherapeutischer Leistungen wieder gekippt. Auf der Website des Psychotherapeutenverbandes BVVP berichtet Norbert Bowe dazu:

"Was sich dann in der zweiten Septemberhälfte ereignete, toppt alles bisher Dagewesene. Die schlimmverbesserte 2.Version der Beschlüsse befand sich schon im Abstimmungsverfahren im Bewertungsausschuss und war bereits von den Krankenkassen [...] akzeptiert, als einige rührige KV-Fürsten und Bewertungsausschussmitglieder glaubten, den fahrenden Zug noch einmal aufhalten und mit weiteren Abänderung der Beschlussentwürfe verhindern zu müssen, dass Psychotherapeuten eine angemessene Vergütung bezahlt bekommen: Sie hatten sich ausgedacht, beim Praxiskostenansatz der optimal ausgelasteten Praxis völlig widersinnigerweise noch zusätzlich einen Prozentanteil für Privatpatienten abzuziehen, obwohl das BSG in seiner Berechnung ausdrücklich die optimale Auslastung nur mit GKV-Patienten definiert hatte."
(s.a. den Bericht d. DPTV/Vereinigung)

Eigentlich braucht man sich nicht zu wundern: Bereits beim 107. Deutschen Ärztetag im Mai 2004 war ja seitens der KBV-Vertreterversammlung ein Antrag gestellt worden, der einiges ahnen ließ:

Die Geschäftsführung der KBV wird aufgefordert, die Grundlagen der Regelleistungsvolumina bei den Psychotherapeuten ohne die Vorgaben der BSG-Rechtssprechung zur Psychotherapie-Vergütung neu zu berechnen [...]

Und in einem Grußwort zum 10-jährigen Jubiläum des bereits erwähnten BVVP hatte der Hauptgeschäftsführer der KBV, Dr. Andreas Köhler, den Jubilar ermahnt:

Du sollst die Integration loben und zufrieden sein mit dem was du bisher erreicht hast. [...] und verlasse dich nicht immer auf die Rechtsprechung.

Zynischer geht's nicht.

Es wäre, glaube ich, mittlerweile wirklich keine schlechte Idee, wenn das Bundesgesundheitsministeium oder vielleicht sogar die Staatsanwaltschaft ein bißchen aufmerksam würden auf diese Zentrale der "ärztlichen Selbstverwaltung".


(23.9.04) Die Ärztezeitung berichtete, wie ich gerade sehe, folgendes:

Als 'unanständig' bewertet Professor Gerd Glaeske, Mitglied des Sachverständigenrates, die Behauptung der KBV, eine leitliniengemäße Arzneimittelversorgung würde zusätzlich sechs Milliarden Euro erfordern.

Die Unanständigkeiten sind natürlich systemisch. Aber was tut man nicht alles, damit wenigstens die Pharmakonzerne dankbar sind.


(29.10.04) Der 'gekippte' Beschluss ist nach massiven Interventionen der psychotherapeutischen Berufsverbände nun doch verabschiedet worden. Das BSG-Urteil wird umgesetzt.

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Beleuchten wir das Ganze noch einmal von einem anderen Blickwinkel: Wie kam es überhaupt dazu?

Ein schweres Versäumnis der KBV passierte bereits irgendwann in den 60-er Jahren: Damals muss wohl der verhängnisvolle Entschluss gefallen sein, die Kassen-Psychotherapie teilweise an Psychologen 'out zu sourcen', wie man heute sagen würde, und zwar, weil es den - damals noch ausschließlich psychoanalytischen - Psychotherapeuten nix ausmachte in einem klapprigen Auto zu fahren, den Wirtschaftswunderärzten aber schon.

Man hätte gleich damals Nägel mit Köpfen machen müssen. Etwa so:
"Die Psychotherapie ist die Anwendung psychologischer Prinzipien durch den Arzt. Für die Psychologie gilt diesbezüglich dasselbe wie für die anderen medizinischen Grundlagenwissenschaften, also Physik, Chemie, Biologie, usw.: Der Medizinstudent erlernt diese Wissenschaften bereits vor dem Physikum, und so wenig es einem Chemiker gestattet ist, die von ihm entwickelte Arznei selber zu verschreiben, kann es einem Psychologen gestattet werden, selbst am Patienten tätig zu werden."

Aber die Gelegenheit wurde vergeigt und es kam, wie es kommen musste: die Zeiten änderten sich; man begann die frühere Entscheidung zu bereuen. Allein es war zu spät. Da waren sie nun, die Psychotherapeuten, die sich inzwischen um Heerscharen von Verhaltenstherapeuten vermehrt hatten, machten ihre Arbeit sehr gut und wollten dementsprechend auf dem Stühlchen sitzen und vom Tellerchen essen und im Bettchen schlafen. An die Wand knallen? Auch dafür zu spät. Mit der alten Garde von Psychoanalytikern wäre man ja vielleicht noch fertig geworden, aber bedauerlicherweise waren die jungen Psychotherapeuten etwas zu wenig durchgeistigt und fanden deshalb klapprige Autos auch Scheiße. Also blieb nichts als der Versuch, den Ansturm durch Salami-Taktik, Verunglimpfung, Ausbremsen und hinhaltenden Widerstand wenigstens einigermaßen in den Griff zu kriegen.

So it goes, würde Vonnegut sagen.
7.9.2004
Reservat

Herr Dipl.Psych. Gerd Boettcher, Psychoanalytiker und Herausgeber der Internet-Zeitschrift Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie, betreibt dort zwei mailing-Listen, von denen eine für Psychoanalytiker reserviert ist.

Ist es wirklich schon so schlimm, dass man den Analytikern zur ungestörten Pflege ihrer Kultur und Tradition Reservate zuweisen muss? Oder gehört das vielleicht zu ebendieser Kultur und Tradition?

Wir wissen es nicht genau, aber wir befürchten, dass es so oder so schief geht.
6.9.2004
Entwürdigung

Im Deutschen Ärzteblatt (101, Ausgabe 36 vom 03.09.2004, Seite A-2372) führt Herr Dr.med. Dipl.Med. Lothar Markus über "Diplom-Mediziner: 35 Jahre Entwürdigung ostdeutscher Ärzte" folgendes aus:

Der Medizinstudent oder Arzt erhält für eine bestimmte wissenschaftliche Arbeit den akademischen Grad eines Dr. med., ohne in der Regel eine Forschungsleistung erbracht zu haben, die vom Zeitaufwand und damit auch vom Gehalt her mit der anderer Fachgebiete vergleichbar ist.
...
Die Anerkennung der in der Medizin vorgelegten Arbeit als Dissertation ist somit auch Ausdruck der hohen fachlichen und sozialen Wertschätzung, die man der Leistung des Arztes in der Gesellschaft entgegenbringt.
...
Vorgeschlagen wird [...], aufgrund der besonderen Bedingungen im wiedervereinigten Deutschland und der besonderen Bedeutung des Dr. med. in der Medizin zu prüfen, ob eine Gleichstellung von Dipl.-Med. und Dr. med. möglich ist.
...
Wird festgestellt, dass die Diplomarbeit durchaus den formalen und inhaltlichen Ansprüchen einer [medizinischen] Promotionsarbeit der damaligen BRD entspricht, sollte dieser Abschluss in den akademischen Grad Dr. med. umgewandelt werden; bestehen deutliche Defizite, muss über das weitere Procedere entschieden werden.

Einsame Klasse. 35 Jahre Entwürdigung, weil man für eine Diplomarbeit in der DDR keinen Doktortitel gekriegt hat, bei uns aber schon. Die Argumentation ist so goldig, dass es einem das Wasser in die Augen treibt.
7.9.2004
Richtlinien

Richtlinien über die Durchführung der Arithmetik:

In Anlehung an die Psychotherapie-Richtlinien wird die Ausübung der wissenschaftlichen Arithmetik auf drei Verfahren begrenzt, nämlich die Addition, die Subtraktion und die Multiplikation. Das Verfahren der Division hat leider den Nachweis seiner Wissenschaftlichkeit nicht erbracht, weil es in bestimmten Fällen, in denen nämlich durch Null dividiert wird, zu einem nicht definierten Term führt.
29.2.2004
Niedergang

Herr Dipl.Psych. Dietmar G. Luchmann, seines Zeichens Psychotherapeut in Stuttgart, schreibt auf seiner Website (www.abaris.de):

Der dramatische Niedergang des deutschen Gesundheitssystems beschleunigt sich unaufhörlich in einem Strudel von politischem Dilettantismus, sozialrechtlichen Perversionen und krank machenden pseudotherapeutischen "Abzock-Orgien". Die pressegängige Insuffizienz und den ethisch-moralischen Verfall im Gesundheitswesen spiegeln Bücher wider, die die obszöne Profit-Maximierung und lebensgefährliche Patienten-Verwertung in Medizin und Psychotherapie unter so bezeichnenden Titeln geißeln wie zum Beispiel "Heilen verboten - Töten erlaubt".

Um unseren Klientinnen und Klienten trotz dieses Systemversagens weiterhin die nach dem Stand der Wissenschaft effizienteste und beste Hilfe geben zu können, haben wir uns entschieden, nach mehr als einem Jahrzehnt sehr erfolgreicher psychotherapeutischer Dienstleistung im Gesundheitssystem die immer untauglicher gewordene sozialrechtliche Basis unzeitgemäßer und den Fortschritt hemmender Psychotherapie-Richtlinien nebst ebenso untauglicher und überholter psychotherapeutischer und ärztlicher Gebührenordnungen zu verlassen. Ob gesetzliche Krankenkassen oder private Krankenversicherungen unsere Rechnungen erstatten, wird unsere Arbeit künftig nicht mehr beeinträchtigen. Wir werden unser psychologisches Wissen und unsere psychotherapeutische Erfahrung nur noch auf privatwirtschaftlicher und privatrechtlicher Grundlage bereitstellen - ausschließlich den Klienten verpflichtet.

Der Regel-Stundensatz für unsere Inanspruchnahme, Beratung und Coaching, gültig ab dem 01.05.2004, beträgt mindestens 215,52 Euro zuzüglich der gültigen Mehrwertsteuer. Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer von zur Zeit 16 Prozent beträgt unser Stundensatz folglich mindestens 250,00 Euro.

Respekt, Herr Kollege. Das nenn' ich eine wirkungsvolle Maßnahme gegen Abzock-Orgien und obszöne Profitmaximierung.

13.2.2004
BVDN

Der Berufsverband Deutscher Nervensägen (BVDN), der die Hardliner unter den Psychiatern vertritt und es sich auf sein Fähnlein geschrieben hat, das Psychische mit gar, gar niemandem zu teilen und vor allem nicht mit den Psychologen, dieser BVDN also findet, es wäre an der Zeit, uns mal wieder ein bißchen in die Waden zu beißen.

Dazu abkommandiert wurde Frau Dr.med. Sigrid Planz-Kuhlendahl aus Offenbach. Sie beklagt in einem Leserbrief an das Deutsche Ärzteblatt (PP, 1/04) "die desaströse Fehlentwicklung in der psychiatrischen Versorgung ..., die unter anderem seit und wahrscheinlich auch wegen der Einführung des Psychotherapeutengesetzes eingeleitet wurde" und meint weiter:

Nicht mehr die wirklich gravierenden neurotischen Krankheiten werden behandelt, sondern oft Befindlichkeitsstörungen ohne eindeutigen Krankheitswert. Weil vor allem psychologische Psychotherapeuten die schweren psychischen Leiden nicht einmal von ferne beobachten können, geschweige denn in einer klinischen Ausbildung kennen gelernt haben, glauben Sie, dass jeder, der ihre Hilfe in Anspruch nimmt, zu den schwerer gestörten Personen gezählt werden müsse. Als Gutachterin weiß ich, dass häufig Psychotherapien verordnet [sic!] werden um im Rentenverfahren eine größere Chance für einen positiven Rentenbescheid zu haben. Als Prüfärztin habe ich beobachten müssen, dass reine Psychotherapeuten häufig Doppelsitzungen bei 'Krisen' abrechneten,... häufig dann noch mit der Notfallziffer 5 versehen, weil die Sitzung in den Abendstunden stattfand.
Diese Missstände müssen aufhören. Sie gehen zulasten (m)einer kleinen Fachgruppe von Neurologen und Psychiatern, die sich ernsthaft bemüht, für die schwerer psychisch kranken und suizidalen Patienten präsent zu sein, die aber, sofern sie sich nicht zur Flucht in die reine Psychotherapie-Praxis entschließt, wirtschaftlich zugrunde gerichtet wird.

Schon klar. Deshalb muß die kleine Fachgruppe der großen vorschreiben, dass sie die schweren Krankheiten nicht behandeln kann und die Befindlichkeitsstörungen nicht behandeln soll. Und ihr vorwerfen, an Rentenbetrügereien beteiligt zu sein und durch Sitzungen in den Abendstunden die armen Kleinen in den Ruin zu treiben (vor dem sich die meisten nicht einmal durch 'Flucht in die reine Psychotherapie-Praxis' schützen können, weil sie davon nämlich nicht die leiseste Ahnung haben).

Aber schön, dass wir mal ganz offen drüber geredet haben.
31.1.2004
Strike Three

Nachdem etwa seit 1993 die Punktwerte für Psychotherapie und damit das Einkommen der Psychotherapeuten ins Bodenlose abgesackt waren, stellte das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Urteilen 1999 und 2000 fest, dass es so nicht geht und fühlte sich sogar veranlasst, ausdrücklich eine Punktwertvorgabe von 10Pfg. zu machen.

Der Bewertungsausschuss der KBV und der Kassen ging daraufhin zu Werke und fasste am 16.2.2000 einen Bewertungsbeschluss, der diese Urteile komplett ignorierte und so hanebüchen war, dass sogar das Bundesgesundheitsministerium daran Anstoß nahm.

Im Frühjahr 2002 wurde eine Neufassung vorgelegt, bei der man durch 'iterative' Rechentricks dafür gesorgt hatte, dass sich nichts nennenswertes änderte.

Am 28.1.04 kassierte nun das BSG diese Beschlüsse und auferlegte dem Bewertungsausschuss, sie rückwirkend zu korrigieren, wobei allerdings ab 2002 (als die vertragsärztliche Versorgung in einen haus- und einen fachärztlichen Bereich, dem auch die Psychotherapeuten angehören, geteilt wurde) nicht mehr das durchschnittliche Hausarzteinkommen zugrunde zu legen ist, sondern das einer fachärztlichen Gruppe.

Der Bewertungsausschuss wird nun also erneut rechnen... Wir sind gespannt.
19.1.2003
Kompetenz

Die Firma Toll Collect, die letztes Jahr die Einführung der satellitengesteuerten LKW-Maut nicht hingekriegt hat, ließ vor ein paar Tagen verlauten, man könne nun doch bis zum 3.10.2004 soweit sein, dass die Trucker selber in den Bord-Computer eingeben können, ob und wohin sie denn gefahren seien.

Vielleicht kann man's bis zum 3.9.2004 schaffen, dass sie's auf einen Zettel schreiben!
15.11.2003
Leserbriefe

Im Deutschen Ärzteblatt (PP 6/2003) erschien ein Artikel zur Bundespsychotherapeutenkammer und der Mitwirkung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der ärztlichen Selbstverwaltung. Das rief natürlich bei einem Leserbriefschreiber, in diesem Fall Herrn Dr. med. Ronny Niklas aus Großenaspe, einen Abwehrreflex hervor. Er schrieb (PP09/03) u.a.:

Nur unsere psychotherapeutisch tätigen ärztlichen Kollegen ... tragen infolge ihrer ärztlichen (Aus-)Bildung [sic!] zu einer psychotherapeutischen Versorgungsqualität bei, die von Psychologischen Psychotherapeuten nicht erreicht werden kann. Herr Kommer [der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer] betont, dass jede Krankheit eine körperliche und eine seelische Dimension habe. Dem ist so. Wir Ärzte können darüberhinaus sehen, dass noch weitere Dimensionen die Krankheit eines Menschen bestimmen: die soziale, die rechtliche, die ökologische. Nur das medizinische Studium beinhaltet in seinem Anforderungskatalog neben den körperlichen gerade auch die primär nicht-körperlichen Bezüge.

Fast schon ein Phänomen, wie solche Apostel ihre primär nicht-körperlichen Bezüge aufblasen können ohne zu platzen. Also nehmen wir's einfach zur Kenntnis: Dem ist so.

Es kommt aber noch besser:

In einem weiteren Leserbrief (PP 11/03) meldet sich nämlich ein Herr Professor Dr. med. Dipl.Psych. Plöger aus Aachen zu Wort und meint:

Das früher gültige 'Delegationsprinzip', d.h. dass Patienten sich zunächst an Ärzte wenden mussten und, falls ein ärztlicher Psychotherapeut nicht zur Verfügung stand, dieser auch an entsprechend zugelassene psychologische Psychotherapeuten zur Durchführung der Psychotherapie schicken [sic!] konnte, war außerordentlich sinnvoll: Verschiedene Psychosyndrome sind durch körperliche Erkrankungen (etwa Hirntumor oder ein Präkoma) bedingt, obwohl sie rein als Psychosyndrom erscheinen. Die Symptomatik, welche auf eine körperliche Erkrankung hinweist, kann ein Psychologe mangels medizinischer Ausbildung nicht erkennen. Aus diesem Grund hat die Beseitigung des Delegationsprinzips durch das Psychotherapeutengesetz - von den wirtschaftlichen Problemen ganz abgesehen - auch eine Gefährdung von Patienten herbeigeführt.

Einem ganzen Berufsstand, der nach Maßgabe eines demokratisch beschlossenen Bundesgesetzes arbeitet, Patientengefährdung zu unterstellen, ist natürlich eine Unverschämtheit, die ihresgleichen sucht.

Wir wollen ihm deshalb ein bißchen auf die Schliche kommen, dem Herrn Professor. Die Arztsuchmaschine der Ärztekammer Nordrhein gibt uns Auskunft, um wen es sich überhaupt handelt:

Professor Dr.med. Andreas Plöger
Psychotherapeutische Medizin
Nervenheilkunde
Psychotherapie
Psychoanalyse
ohne Kassenzulassung.
[...]
52074 Aachen

Formulierungen wie "von den wirtschaftlichen Problemen ganz abgesehen " bedeuten in der Regel, dass davon eben nicht ganz abgesehen wird. Es kann sich auch nicht um die wirtschaftlichen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung handeln, weil bei denen die Psychotherapie kaum eine Rolle spielt. Zudem stellt sich bei unserer Recherche prompt heraus, dass der Herr Kollege überhaupt keine Kassenzulassung hat. Also müssen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten wohl seine eigenen sein. Und weil die Patienten seit dem Psychotherapeutengesetz die Möglichkeit haben, direkt und ohne Umwege einen Psychotherapeuten ihrer Wahl aufzusuchen und das auch tun, keimt in uns der Verdacht, dass ihm, der keine Kassen-Patienten behandelt, auch noch ein Teil der Privaten wegbricht, die er natürlich auch früher nicht "zur Durchführung geschickt" hat.
Trotzdem: Contenance, Herr Professor!
31.10.2003
Bilder

Aus: Schmidt, Klaus: Allgemeinmedizin: Plädoyer für ein neues Arztbild. Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 44 vom 31.10.2003, Seite A-2844. http://www.aerzteblatt.de:

Dem Bundesärztekammer-Präsidenten Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, "[...] aber ebenso den Hochschullehrern für Allgemeinmedizin, missfällt [...] das Bild vom Hausarzt als 'Lotsen im Gesundheitssystem'. Ein Lotse steuere das Schiff sicher durch die Klippen, meinte der BÄK-Präsident, aber dann überlasse er es sich selbst. Ihm würde das Bild vom Kapitän besser gefallen. [...]
Prof. Dr. med. Frank Mader, Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Technischen Universität München, wies darauf hin, dass mit der neuen Approbationsordnung und ihrer Betonung bestimmter Lehrformen den Studenten wohl auch ein neues Bild von einem neuen Allgemeinarzt vermittelt werden müsse. [...] Besonders gefallen hat ihm ein Bild vom Allgemeinarzt, das kürzlich in einem Leserbrief des Deutschen Ärzteblattes beschrieben wurde: der Allgemeinarzt als Dirigent eines Orchesters, in dem der Patient die erste Geige spielt."

Ja, das ist schön. Kapitän. Dirigent. Was mir auch noch ganz super gefällt, so rein als Bild mal, ist Oberförster.
30.10.2003
Grüne

Herr Bütikofer (Grüne) meinte heute, die deutschen Spitzensportler, die sich steuertechnisch in die Schweiz oder anderswo hin zurückgezogen haben, sollten doch ihren Pass gleich mit abgeben.

Das kenn' ich doch irgendwo her. Ob wir bald eine Mauer am Rhein kriegen?
Dezember 2002
Weihnacht

Aus einer Meldung der Psychotherapeutenkammer Berlin vom 11.12.2002:

Weihnachtsgeschenke können viel von dem verraten, was wir nur unbewusst fühlen, wie wir tatsächlich zu dem Beschenkten stehen. Die Psychotherapeutenkammer Berlin erläutert, wie Enttäuschungen und Enthüllungen zu vermeiden sind.
...
Wenn das Geschenk für Missstimmung sorgt, sollte man die Sache mit ein bisschen Humor tragen und 'in die diplomatische Trickkiste greifen' und dem anderen eine Brücke bauen, etwa so: 'Ich war mir ja selbst nicht sicher, aber ich wollte mal testen, ob Dir so was gefällt. Wir können es ja gemeinsam umtauschen gehen.' Dann zumindest ist die Stimmung fürs Erste gerettet.

Kammerflimmern. Da gibt's nix zu testen, sondern man sollte ganz dringend gemeinsam gehen und einiges umtauschen.
23.11.2002
Beratung

Das Manager-Magazin berichtet, die AOK habe zwischen 1999 und 2001 ca. 91.000 Beratungsstunden bei McKinsey in Anspruch genommen.
Zu etwa 300 Euro das Stück.
Verglichen mit der Deutschen Post war's aber nur eine Kurzzeitberatung. Die brauchte nämlich 347.000 Stunden.
Hoffentlich hilft's. Gute Besserung.
13.11.2002
Versorgung

Wozu eigentlich die Aufregung? Die Grundversorgung ist doch gesichert:

Allgemeinmedizin: Dr. Gerhardt, ZDF
Fr. Dr. Kühnemann, BR
Gynäkologie, Paarberatung: Fr. Dr. Breitenbach, PRO7
Psychotherapie, Paarberatung: Fr. Dipl.Psych. Lämmle, SWR
Fr. Dipl.Psych. Kalwass, SAT1
Samstagsdienst: 'Dr. Sommerfeld', ARD
Krankenhäuser: 'Emergency Room', PRO7
'Die Anstalt', RTL
'Klinik unter Palmen', ARD
30.10.2002
Nullrunde

Aus meinem e-Briefkasten: Ein neuer Vorschlag, damit die Null an der richtigen Stelle steht. Wer's geschickt hat? Nomina sunt odiosa.

Die Partnerin des Arztes oder eine andere Person betreibt von den Praxisräumen strikt getrennt ein selbständiges Gewerbe ("Vitalinstitut") zum Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln. Der Arzt stellt dem Patienten nach einer Beratung ein sog. Grünes Rezept aus, auf dem das Präparat, die Menge und die Einnahmevorschriften vermerkt sind. Der Patient kann nun das Präparat in jeder Apotheke, aber auch im Vitalinstitut des Partners oder der Partnerin erwerben. Der Arzt muss selbstverständlich auf die verschiedenen Bezugsmöglichkeiten hinweisen.

Au ja!
Erfahrungsergänzungsmittel. Regressionshilfen. Expositionssimulatoren. Beziehungsgeneratoren. Konditionierungsbeschleuniger. Oder wieder mal Tempelglöckchen, Karmareiniger und Heilklunker ("Kristallinstitut").
Wir sind gerettet.
29.5.2002
Kinder

Die KV Nord-Württemberg weigerte sich, Psychotherapie bei Kindern unter vier Jahren anzuerkennen. Begründung: Kinder unter vier sind keine Kinder. (Vielleicht eher Alt-Föten? Oder Kindheits-Anwärter?)

Unfug, sagte jedenfalls das Landessozialgericht.

Nun hat man sich was Neues ausgedacht: Psychotherapie sei Gesprächstherapie und Kinder unter vier könnten halt nicht so gut sprechen.

Dass selbst die Erwachsenenpsychotherapie große handlungsorientierte Anteile enthält, ist dabei zwar in der Eile übersehen worden, aber zum Ausdruck kommt immerhin ein Herz fürs Kindische.
29.5.2002
Wellness

Als Grundleistungen müssen die ambulante und stationäre Behandlung, Rehabilitation im eigentlichen Sinn, Früherkennung und Vorsorge verstanden werden. Das sind Leistungen, die tatsächlich notwendig sind. Alles aber, was zu Wellness gehört, zu solchen Leistungen in der Psychotherapie, die man früher im Beichtstuhl erbracht hat, sind Wahlleistungen"...

... meint Herr Professor Hoppe in der Süddeutschen Zeitung vom 28.5.02 (Hervorhebung H.M.).

Ich übe schon, meinen Patienten zu sagen:
"Jetzt geh'n Sie erst mal Beichten. Wenn das nix hilft, zahlt's die Kasse.

2.4.2002
Arithmetik

Sogar das BMG hatte den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 16.2.2000 zur Honorierung psychotherapeutischer Leistungen beanstandet.
Man hat also einen neuen Rechenweg beschritten.
Iterativ.
Und unter Zugrundelegung des alten Ergebnisses. Was denn? Ist doch schön, wenn man wenigstens weiß, was rauskommen soll!
24.2.2002
Olympia

Bei den heute zu Ende gehenden olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City war Deutschland mit 12 Gold- 16 Silber- und 7 Bronzemedaillen erfolgreichste Nation.

Hier einige Tipps, wie man das, dem Beispiel der deutschen Wirtschaft und Politik folgend, hätte verhindern können:

1. Der deutsche Beamtenbund weist darauf hin, daß Spitzensportler, ähnlich wie Beamte, nur wenige Jahre voll leistungsfähig sein können und verlangt dementsprechend ihre Verbeamtung.

2. Die Gewerkschaften fordern die 35 Stunden-Woche für Trainer und Sportler, keine Teilnahme an olympischen Wettkämpfen nach 17 Uhr (MEZ) und einen olympischen Betriebsrat, dem sämtliche Entscheidungen der Trainer und Techniker drei Wochen vor den Wettkämpfen vorzulegen sind.

3. Die Grünen halten es für elitär und ungerecht, dass nur ausgesuchte Athleten an den Spielen teilnehmen dürfen. Außerdem beschließt der Regionalparteitag Tübingen-Nord, daß Olympische Spiele sowieso eine ökologische Riesensauerei seien.

4. Die Unternehmer warten auf die amerikanischen Vorgaben im Medaillenspiegel. Sie fordern niedrigere Lohnnebenkosten und verlagern das Training für die alpinen Wettbewerbe nach Thailand.

5. Die Bundesanstalt für Arbeit bietet an, freiwerdende Plätze in der olympischen Nationalmannschaft umgehend zu vermitteln und stellt dafür 6000 neue Vermittler ein.

6. Das Bundeskabinett und der Deutsche Bundestag beschließen, auf olympische Medaillen eine Oly-Steuer und von der Bevölkerung den Oly-Zuschlag zu erheben.

7. Die einschlägigen Debattier-Sendungen des Deutschen Fernsehens nehmen sich unter Beteiligung aller Obengenannten des hochproblematischen Themas an.

20.2.2002
Lösung

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages befasste sich heute mit den über 1200 Petitionen zur Honorierung der Psychotherapie aus dem Jahr 1999.

Bei einem Gesamtbudget von rund 1,2 Milliarden DM und über 20.000 Psychotherapeuten verbleibe ein Umsatz von rund 61.000 DM pro Praxis im Jahr 1999

heißt es da. Und:

In der Zwischenzeit sei jedoch in fast allen Vertragsregionen eine Lösung erreicht worden. Nach Schätzungen sei davon auszugehen, dass die Krankenkassen zusätzliche Zahlungen von rund 50 Millionen DM geleistet hätten.

Damit sind es dann also DM 63.500,-- pro Praxis. Na, das ist ja gerade noch mal gutgegangen! (Und so zügig.)

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