23.05.2019
Demokratie

Heute wird das Grundgesetz 70 Jahre alt.

Demokratie basiert auf dem fast spirituell zu nennenden Prinzip der grundsätzlichen, wesentlichen Gleichheit aller Menschen, die über alle Unterschiede hinweg besteht, die Grundlage der allgemeinen Menschenrechte ist und alle zu aktiv Teilhabenden an der Verwaltung und Regierung des Gemeinwesens macht.

Der paradoxe Haken ist: die Demokratie muss es zulassen, dass Leute gewählt werden, die sie abschaffen wollen. Dazu kommt, dass die erforderliche aktive Teilhabe das Individuum mitverantwortlich macht und also nicht immer ganz bequem ist.

Haben wir jetzt wieder mal genug davon? Diesmal global? Ist es wieder soweit und die Ratten betreten das sinkende Schiff? Trump, Bannon, Orban, Erdogan, Bolsanaro, AfD, FPÖ, Marine Le Pen, Nigel Farrage, Boris Johnson, undsoweiter. Dazu noch die Chinesen und Russen, die sogar bei ihren Gegnern zur Popularität des Führerstaats beitragen. Geht's uns dann besser? Ist das dann bequemer? Wir haben im Laufe der Geschichte wirklich alles ausprobiert und festgestellt, dass die Demokratie, wie Churchill sagte, "die schlechteste Regierungsform ist - abgesehen von allen anderen".

Was funktioniert denn da nicht? Was haben die Leute gemerkt, die sich jetzt schon wieder in den Schutz und die "Identität" ihrer Nationen, Stammes­zugehörigkeiten, Schrebergärten und starken Führer zurückziehen wollen?
Seit langem ist die westliche Demokratie eine unheilige Allianz mit dem Kapitalismus eingegangen. Wirtschaftliche Prosperität wird als Voraussetzung für die Demokratie betrachtet und in gewissem Maße stimmt das auch. Ein leerer Bauch ist nicht demokratisch gesinnt, sondern darauf bedacht, mit allen Mittel das Überleben zu sichern. Nun zeigt sich aber im Kapitalismus, besonders in seinem Anfang ("Manchesterkapitalismus") und auch jetzt wieder in seiner neoliberalen, globalisierten Variante, eine Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die immer reicher und diejenigen, die infolge dessen immer ärmer werden. Es wird behauptet, das sei die unabdingbare Voraussetzung für den Wohlstand aller. Die Aufbaujahre nach dem zweiten Weltkrieg, wo der Kapitalismus wirklich erfolgreich war, sind vorbei; jetzt gibt es auf einmal wieder Leute, die trotz Vollzeitarbeit ihre Familie nicht ernähren können. Und es gibt wieder leere Bäuche. Man redet uns ein, dass die "Migranten" und die EU uns etwas wegnehmen. Die sind es aber nicht.

"Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier", sagte Mahatma Gandhi. Sie hat nicht einmal genug für die Gier der Gierigen, weil diese offensichtlich grenzenlos ist. Solange also die Freiheit nicht um die - wie Stéphane Hessel in seinem Büchlein "Indignez-vous!" ("Empört Euch!") formuliert - "Freiheit des Fuchses im Hühnerstall" gekürzt wird, ist die Demokratie unvollständig.

Aber es gibt sie erfreulicherweise, und sie hat heute in Deutschland ihren 70. Geburtstag.
31.3.2019
Menschenverstand

Bundesverkehrminister Andreas Scheuer findet, dass ein Tempolimit von 130km/h auf deutschen Autobahnen - eine der am einfachsten durchzuführenden ökologischen Sofortmaßnahmen - "gegen jeden Menschenverstand" sei. Und er meint: "Forderungen, die Zorn, Verärgerung, Belastungen auslösen oder unseren Wohlstand gefährden, werden nicht Realität und lehne ich ab". Das ist bescheuert.

Die Forderungen der Natur werden Realität.
Sie werden Zorn, Verärgerung, Belastungen auslösen.
Sie werden den Wohlstand dahinraffen.
Aber erst mal kriegt Greta Thunberg die Goldene Kamera. Das zeigt, dass wir uns in festlicher Atmosphäre ins Gewissen reden lassen, applaudieren, und also gute Menschen sind, die kein Tempolimit brauchen und für €19,90 zur Preis­verleihung (oder sonst wo hin) fliegen dürfen.

20.02.2019
Unschuld

Ich habe es fast kommen sehen. Heute war's dann soweit. Der Welt entnehme ich:

Kita erklärt Indianerkostüme zu Fasching für 'unerwünscht'. Die 185 Kinder einer Hamburger Kita sollten zu Fasching auf Indianerkostüme verzichten.

Weil man dort nämlich "sehr auf eine kultursensible, diskriminierungsfreie und vorurteilsbewusste Erziehung" achtet. In der Broschüre Kids aktuell ist zu lesen:

Die sogenannten 'Indianer' gibt es nicht und gab es nie. Der Begriff wurde im Zuge der Kolonialisierung Nord- und Südamerikas der damaligen Bevölkerung aufgezwungen und steht somit in Zusammenhang mit der brutalen Vernichtung großer Teile dieser Personengruppe.
[...]
Wenn die Kinder sich für das Thema interessieren, warum nicht gemeinsam auf Erkundung gehen und sich korrektes Sachwissen erschließen? Wie genau haben die unterschiedlichen Gruppen gelebt und wie leben sie heute? Was ist damals passiert und hat Kolumbus Amerika wirklich 'entdeckt'? Je nachdem, worüber gesprochen wird, sollte die korrekte Bezeichnung für die konkrete Gruppe (z.B. Maya, Squamish, Navajo) oder die Selbstbezeichnung für die jeweilige Region (z.B. Native Americans für die USA, First Nations für Kanada, Pueblos originarios der Abya-Ya-la oder Indígenas für Südamerika) verwendet werden.

Die Jungs könnten sich doch lieber als "Meerjungmänner" verkleiden - und die Mädchen als "Piratinnen".

Das ist gut für Kinder, die sich in der ihnen zugeschriebenen [!] Geschlechterrolle unwohl fühlen [...]

Das durfte natürlich auch nicht unerwähnt bleiben.

Korrektes Sachwissen statt kindlicher Unschuld für 5-jährige Meerjungmänner, die vielleicht lieber Piratinnen wären (oder andersrum oder überhaupt was ganz anderes). Wo geht das hin? Ich will's nicht wissen. Winnetou geht nicht mit. Howgh!

20.02.2019
Kommunion

Ein wiederverheirateter katholischer Chefarzt wurde aus dem kirchlichen Dienst entlassen und er darf auch die Kommunion nicht empfangen.

Ein Kinder vergewaltigender katholischer Priester wurde nicht aus dem kirchlichen Dienst entlassen und er darf auch die Kommunion weiterhin spenden.

(Viele sind der Ansicht, dass man an guten alten Traditionen nicht rütteln soll. Insbesondere, sagen sie, darf man den Missbrauch nicht dazu missbrauchen, Änderungen einzufordern.)

11.02.2019
Das Folgende fällt etwas aus dem Rahmen. Ich hatte aber das Bedürfnis, nach längerer (und noch andauernder) Beschäftigung mit der Physik als Naturphilosophie auch hier etwas einzufügen.

Physik

Im Jahre 1692 schrieb Isaac Newton an Richard Bentley:

Dass die Schwerkraft der Materie eingeboren, innewohnend und wesentlich sein sollte, so dass ein Körper auf einen anderen aus einer Distanz wirkte, durch ein Vakuum und ohne Vermittlung durch irgendetwas anderes, wodurch die Aktion oder Kraft vom einen zum anderen übertragen würde, ist für mich eine derartige Absurdität, dass ich glaube, dass kein Mensch, der in philosophischen Dingen kompetent zu denken imstande ist, sich jemals darauf einlassen kann. [Übers. HM]

Er widerstand der Versuchung, eine "Erklärung" nachzuschieben und formulierte seinen berühmten Satz "Hypotheses non fingo" (Ich erfinde keine Vermutungen).

Davon sind wir inzwischen weit entfernt. Heute wissen wir Bescheid. Deshalb gibt es multiple Universen, aufgewickelte Extra-Dimensionen, den Urknall samt Hyper-Inflation, etc. Und wenn da einer denkt, die theoretischen Physiker würden wenigstens jetzt mit dem Unfug aufhören - weil man ja vor einem Ereignis, in dem Raum, Zeit und Physik erst entstanden sind, eigentlich keine sinnvollen physikalischen Aussagen machen kann - dann irrt der sich gewaltig. Da fangen die erst richtig an. Eine Truppe von ansonsten wohl respektablen Physikern, z.B. Michio Kaku, Lawrence Krauss und Alex Filippenko, hat sich zu Wissenschafts-Kaspern degradieren lassen und verklickert dem Publikum in Fernseh-Dokus, was vor dem Urknall war und wie ein schwarzes Loch herumfliegt und wie eine Alien-Invasion abläuft. Hat Wissenschaft noch etwas mit Erkenntnis zu tun oder geht es inzwischen um den Show-Effekt?

Wenn ein Fachfremder meckert, kommt das Argument, man könne nicht mitreden, wenn man die Mathe nicht versteht. Es stellt sich aber heraus, dass das erstaunlich wenig Unterschied macht. Sie verstehen's auch mit der Mathe selber nicht, bzw. verstehen nur noch die Mathematik und sind der Auffassung, dass man deswegen immer mehr davon braucht. Besonders wenn sie irgendwo noch einen kleinen Rest von Anschaulichkeit entdecken. Es ist ein mathematisches Blasen-Universum, in dem sie wurschteln; vielleicht wäre die Lösung überhaupt, dass sie sich ein Universum suchen, das zu ihren Theorien passt, anstatt anders herum. Und wenn die Mathematik alles wäre, könnte man sich die Physiker ganz sparen.
Die Wiederholbarkeit eines Experiments als naturwissenschaftliches Fundamentalkriterium wurde ja bereits aufgegeben, weil sie wegen des enormen technischen und finanziellen Aufwands oft nicht mehr durchführbar ist.

Ich will nicht ausschließen, dass wir anderen tatsächlich zu blöd sind (da fällt mir Garrison Keillor ein: "Hohe Intelligenz ist wie Allradantrieb; beide machen es möglich, an sehr entlegenen Orten stecken zu bleiben"). Aber auch manche Insider meckern, bzw. fallen der Verzweiflung anheim. Denen kann man wenigstens zugute halten, dass sie es wagen, ihre akademischen Karrieren durch Häresie zu gefährden (oh ja, die gibt es auch hier!). Die theoretische Physikerin Sabine Hossenfelder schreibt in ihrem Buch "Das hässliche Universum" (2018, Frankfurt: S.Fischer, S.144):

Theoretische Physiker haben früher erklärt, was zu beobachten war. Jetzt versuchen sie zu erklären, warum sie nicht erklären können, was nicht zu beobachten ist.

Und in ihrem Blog:

I am pretty sick and tired of people selling semi-mathematical speculations as theoretical physics and blocking jobs with their so-called theories of nothing specifically that lead nowhere in particular.

14.12.2018
Schmerz

Nehmen wir einmal an, ein amerikanischer Arzt - nennen wir ihn einfach Sackler - und die beiden Brüder seines Vaters, ebenfalls Ärzte, hätten 1996 eine in Deutschland 1916 erfundene und 1990 wegen erheblichen Suchtrisikos vom Markt genommene Substanz, nämlich das Opioid Oxycodon (einen engen Verwandten von Heroin), unter dem Namen OxyContin in den USA eingeführt. Und nehmen wir an, die von ihnen geleitete Firma - nennen wir sie Purdue Pharma - hätte das Medikament mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln derart aggressiv und irreführend beworben, dass sich viele Ärzte einreden ließen, sie seien "opiophob", wenn sie es nicht für alle Schmerzzustände in hohen Dosen und für lange Zeit verordneten, so dass schließlich einige dazu übergegangen wären, sogenannte "pill mills" zu betreiben, wo sie gegen Barzahlung und ohne nennenswerte Untersuchung in einem Umfang Rezepte ausstellten, der zu Verkehrsstaus vor ihren Praxen führte und es den Patienten ermöglichte, die Pillen, die sie übrig hatten, auf dem Schwarzmarkt weiter zu verticken. Und nehmen wir an, die Firmeninhaber seien nicht nur Milliardäre, sondern auch hochgeachtete Kunst- und Wissenschaftsmäzene geworden, während viele der 'Endverbraucher' in Zeiten schleppenden Nachschubs auf illegales Heroin umstiegen, das teilweise mit Fentanyl - einem extrem starken Opiumderivat - versetzt war. Nehmen wir schließlich an, das Firmenimperium der Familie Sackler sei - als der Gegenwind in den USA endlich etwas zunahm - dazu übergegangen, einen größeren Teil seiner Aktivitäten ("Mundipharma") unter prinzipieller Beibehaltung der Marketing-Strategie in andere Länder, auch in Europa, zu verlegen, während ca. 50.000 Amerikaner pro Jahr an Überdosen von Oxycodon oder seinen Ersatzstoffen stürben.

Wäre das dann schon organisierte Kriminalität oder würde es noch als neoliberaler Betriebsunfall durchgehen?

Eine der zentralen Maximen im Kapitalismus lautet: Nachsicht ist viel leichter zu erlangen als Erlaubnis. "Move fast and break things". Man setzt auf etwas, schaut, ob es Profit bringt und macht einfach mal. Wird schon klappen. Die Sauereien wird man uns dann nachsehen. Auch deshalb gibt es Facebook, Alexa, Massentierhaltung, Big Pharma, Finanzmärkte, Genmanipulation, Umweltzerstörung, sowie die fast völlige Vereinnahmung der Naturwissenschaften durch ökonomische Interessen. Und natürlich Klimawandel. Manchmal bin ich fast erleichtert, dass die Natur es uns nicht nachsehen wird.

Mehr und mehr sind unsere Lösungen die eigentlichen Probleme. Und es gibt selbstverständlich einen komplett durchgeknallten Wissenschafts-Idioten bei TED, der auch für die Erderwärmung eine in petto hat: Kreide. Eine Million Tonnen. Jährlich. In die Atmosphäre blasen. Als Sonnenschutz. Mehr sag ich nicht.
26.11.2018
Flottenerneuerung

Das Kraftfahrtbundesamt informiert mich als Besitzer eines "Dieselfahrzeugs der Abgasnorm Euro 5 oder Euro 4" über "das am 24. Oktober 2018 beschlossene Konzept der Bundesregierung für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten". Das Konzept soll unter anderem "Fahrverbote […] sowie unangemessene Belastungen für Besitzer eines Diesel-PKW vermeiden". "Maßgeblicher Bestandteil des Konzepts ist die Flottenerneuerung".

Ich soll also meinen acht Jahre alten VW-Bus - den man mir unter ausdrücklichem Hinweis auf den geringen Schadstoffausstoß verkauft hat und der in tadellosem Zustand ist - verschrotten und einen neuen kaufen. VW gibt mir dafür einen Rabatt von "bis zu 8.000 Euro". Das wäre dann gerade mal die seitherige Preissteigerung.

Für den Rabatt muss ich die ordnungsgemäße "Verwertung", d.h. Verschrottung, nachweisen, die wahrscheinlich - genau wie die Herstellung des Neuwagens - absolut umweltneutral ist. Insgesamt kostet mich das nur wenig mehr als 40.000 Euro; "unangemessene Belastungen für Besitzer" werden vermieden. Vielleicht könnte ich dann überhaupt gleich ein Elektro-Auto kaufen, damit die Braunkohle-Kraftwerke auch noch was zu tun haben.

Ich schreibe das hier nur auf, weil ich mich später mal dran erinnern will, wie ein mit äußerster Hingabe und Gewissenhaftigkeit ausgeführter Kotau - im religiösen Kontext auch Prostratio genannt - einer Bundesregierung vor der Auto-Industrie aussieht.
06.06.2018
Pelz

Man hat uns eine Laus in den Pelz gesetzt. Sie heißt Richard Grenell und ist der neue US-Botschafter. Die rechte US-Nachrichtenagentur Breitbart titelt in einem Interview:

Trump's Right Hand Man in Europe Rick Grenell Wants To 'Empower' European Conservatives.
Trumpian U.S. Ambassador to Germany Richard Grenell has expressed great excitement over the wave of conservatism in Europe, saying he wants to "empower" leaders of the movement.

Als deutlicher Protest laut wurde, tweetete Grenell:

Don't put words in my mouth. The idea that I'd endorse candidates/parties is ridiculous. I stand by my comments that we are experiencing an awakening from the silent majority - those who reject the elites & their bubble. Led by Trump.

Nein, ich habe nicht gesagt, was ich gesagt habe. Dazu stehe ich. Und von dem Unterschied zwischen Ermächtigung (empowerment) und Erleben (experiencing) hab ich noch nie was gehört.

Wie der Herr, so's Gescherr. Der Plan ist, Europa dadurch zu Fall zu bringen, dass man die nationalkonservativen Kräfte unterstützt. Die Mutter aller Eliten möchte ein Aufbegehren der "schweigenden Mehrheit" gegen "Eliten und ihre Blase". Weltweit. Geführt von Trump.

Lausige Zeiten.

23.05.2018
DSGVO -update-

Das Thema vom 14.04.nochmal:

In der ZEIT erschien am 16.5. ein Interview mit der Europäischen Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Vera Jourová. Darin heißt es:

ZEIT ONLINE: [...] Wie können sich Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein, dass ihre Daten tatsächlich gelöscht wurden? [...]
Jourová: Sie müssen Vertrauen haben.[...]
ZEIT ONLINE: In Deutschland hat sich eine Debatte darüber entsponnen, ob das neue Gesetz nicht eine Klagewelle auslöst. Sehen Sie da eine Gefahr?
Jourová: Nein.
ZEIT ONLINE: Warum nicht?
Jourová: [...] Natürlich darf man die Angst, dass die DSGVO missbraucht wird, nicht unterschätzen. Es gibt immer Verrückte, die Gesetze für ihren eigenen Vorteil nutzen wollen - Wettbewerber zum Beispiel oder ehemalige Mitarbeiter. Aber ich erwarte keinen massiven Missbrauch. Glücklicherweise sind die meisten Personen normal - sie haben andere Hobbys, als ihre Mitmenschen zu verklagen.
[...]
ZEIT ONLINE: Manche haben aber gar nicht die technische Expertise, um ein automatisiertes Einverständnis einzuholen und alle Auflagen zu erfüllen.
Jourová: Ich kenne mich auch nicht mit Technik aus, meine Kinder lachen mich deswegen sogar aus. Ich versichere Ihnen aber, dass selbst ich die Regeln der DSGVO umsetzen kann.
[...]
ZEIT ONLINE: Was denken Sie?
Jourová: Ich denke nicht. [...]

Von Mathe hab ich keine Ahnung. Ich versichere Ihnen aber, dass ich eine Differentialgleichung lösen kann. Nein, denken tu' ich auch nicht. Als guter Mensch habe ich, wie die meisten, andere Hobbies. Und Sie müssen Vertrauen haben. Nur deshalb machen wir ja diesen ganzen Zinnober.

Völlig klar, dass die Tschechen die loswerden wollten. Haben wir mit Oettinger auch so gemacht. Nur ist es diesmal richtig schiefgegangen.

Update update: 27.05.2018:

Der Wahn bricht sich Bahn. Und hier auch.

16.05.2018
DÄT121

Und es ward wieder Ärztetag. Nummer 121. Diesmal waren die Beschlüsse etwas interessanter als beim letzten:

Wissend, dass unsere medizinischen Entscheidungen, die auf Basis einer qualitätsgesicherten Medizin getroffen werden, große Auswirkungen auf die Heilung und Gesundheit der Patienten, aber auch betriebswirtschaftliche Auswirkungen haben, erklären wir hiermit, dass wir eine angemessene und wirksame Versorgung der Patienten stets unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen Argumente gegenüber ökonomischen Überlegungen planen und durchführen werden.
[...] Wir werden unsere ärztliche Heilkunst ausüben, ohne uns von wirtschaftlichem Druck, finanziellen Anreizsystemen oder ökonomischen Drohungen dazu bewegen zu lassen, uns von unserer Berufsethik und den Geboten der Menschlichkeit abzuwenden.

Es ist rührend, wenn Leute um 17:00 auf dem Bahnsteig stehen und "wissend", dass der Zug um 16:00 abgefahren ist, beherzt einsteigen, weil der Arzt als solcher nämlich rechtschaffen und gut ist.

Nicht so viel Pathos in den Kapiteln über Psychotherapie (obwohl der Zug da auch schon abgefahren ist):

Strikt abgelehnt wird [...] die Einführung von Modellstudiengängen, in denen die Kompetenzen zur Feststellung, Verordnung und Überprüfung psychopharmakologischer Maßnahmen vermittelt werden sollen. Eine sichere Anwendung von Psychopharmaka ist nur auf der Grundlage eines Medizinstudiums möglich.

Die meisten Psychotherapeutenverbände haben sich explizit gegen ein solches Verordnungsrecht ausgesprochen. Das ist auch völlig richtig so. Aber ein Ärztetag kann sich halt nicht vorstellen, dass jemand freiwillig auf etwas verzichtet. Stattdessen:

Die Beachtung der biologischen, sozialen und psychischen Aspekte der Erkrankungen ist genuiner Bestandteil einer guten ärztlichen Versorgung. Nur in der medizinischen Versorgung könnten diese Aspekte diagnostisch gewichtet und ihre Interaktionen abgeschätzt werden. Das Wechselspiel von Leib und Seele kann so diagnostisch eingeordnet und für die Behandlungsplanung beachtet werden.
Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen benötigen ein bedarfsgerechtes Versorgungsangebot. Neben der Pharmakotherapie, den biologischen Verfahren und psychosozialen Interventionen stellt die Psychotherapie eine zentrale ärztliche Behandlungsoption dar. Ärztinnen und Ärzte führen in großem Umfang psychotherapeutische Behandlungen durch. Die Psychotherapie ist eine zentrale ärztliche Behandlungsform, die breit in der ärztlichen Weiterbildung und Versorgung verankert ist und zu den genuinen ärztlichen Aufgaben zählt.

So geht das seit 20 Jahren und nein, es macht bei einem solchen Beschluss überhaupt nix aus, dass es für die Psycho-Fächer kaum noch medizinischen Nachwuchs gibt, weil die meisten Mediziner so was nicht machen wollen und tatsächlich freiwillig darauf verzichten. Wir Psychotherapeuten freuen uns aber, wenn die Psychotherapie immerhin genug Ansehen genießt, dass sie als "genuiner Bestandteil einer guten ärztlichen Versorgung" gesehen wird.

14.04.2018
Datenschutz-Grundverordnung

Normalerweise bemühe ich mich auf diesen Seiten um ein Minimum an Konzilianz. Aber hier muss eine Ausnahme gemacht werden:

Was fällt euch dämlichen Korinthenkackern in Brüssel und Berlin eigentlich ein, diese abartige Datenschutzscheiße abzudrücken, die fast alle kleinen Webseitenbetreiber einen Haufen Zeit und Geld kostet, während Facebook, Google, Amazon und Konsorten mit unseren Daten einfach weiter machen was sie wollen! - Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ihr die mit solchen Mätzchen effektiv kontrollieren könnt. Ihr kriegt's ja nicht mal hin, dass die ihre Steuern ordentlich zahlen!
Ich kann meine Netzseiten ja gottseidank selber warten, aber ein paar Millionen andere müssen jetzt ihren Internet-Fuzzi bestellen, damit der ihnen euren Schwachsinn einbaut. Und wehe, das macht einer nicht: die Abmahn-Haie warten schon.
Ihr habt echt nicht alle Nadeln an der Tanne, ihr Blödmänner!! ...Und Blödfrauen (das muss ich jetzt wegen dem grassierenden Gender-Unfug schon auch noch schreiben).

Update 15.04.2018:

Ok, ich hab mich wieder beruhigt.
Es ist völlig bizarr: Ich muss meinen Patienten schriftlich und auf der Website erklären, dass jeder Internet Service Provider - also auch meiner - bei jedem Aufruf irgendeiner Netzseite bestimmte Daten speichert, während gleichzeitig die Telemedizin (Videosprechstunde, usw.) gepuscht wird, wo Patienten dann endgültig intime Angaben dem Netz überantworten, und ein gewisser Mark Zuckerberg vor dem amerikanischen Kongress dazu aussagt, dass sich Cambridge Analytica die Nutzerprofile von 87 Millionen Facebook-Usern beschafft hat.
Und ich muss erklären, dass Telefongespräche meines Praxisanschlusses über eine unverschlüsselte und ungesicherte Verbindung gehen - als ob ich etwas dafür könnte, dass es keine anderen mehr gibt! Die alten ISDN-Anschlüsse sind Geschichte!

Der große Internet-Deal ist folgender: Wir kriegen eure Daten; ihr kriegt bequeme und kostenlose Apps. Wie vor einigen Jahren mal jemand sagte: Facebook-User sind keine Kunden, sie sind die Ware. Bis heute kann man vielen dieser User nicht einmal beibringen, in E-mails an größere Gruppen BCC zu benutzen. Und seit die Googles und Facebooks gemerkt haben, wie einfach, und vor allem, was für ein Multi-Milliarden-Geschäft das ist, sind sie natürlich nicht mehr zu bremsen, allzeit wacker unterstützt von ihrer Ware, die sich für Kundschaft hält.

Und jetzt also verschärfter Datenschutz. Da werden die herzensguten CEOs der Internetriesen natürlich kooperieren und sich einfach was anderes ausdenken.
Server nur noch in Europa? OK. Und von dort eine fette Leitung in die USA.
Neue AGB mit ausführlicher Datenschutzbeschreibung? Machen wir jetzt schon: 756 Seiten Kleingedrucktes, wobei das Wichtige auf S.594 unten steht.
Opt-in statt Opt-out? Da arbeiten wir dran und ihr könnt sicher sein, dass uns was einfällt. Wahrscheinlich wieder über die Bequemlichkeitsschiene. Wir sperren irgendwas Bequemes oder sonst Tolles, bis uns die User zu Kreuze kriechen und ihr Kreuz beim Opt-in machen. Außerdem haben wir einfach die besten Leute (außerhalb Russlands) und das meiste Geld. Damit wird sich was machen lassen.

Mit welcher Frechheit selbst kleinere Fische die User - Datenschutz­verordnung hin oder her - über den Tisch zu ziehen gedenken bzw. das bereits tun, kann man sich beispielsweise hier anschauen.

Im Prinzip also gäbe es viel zu tun. Nur eben nicht so, dass der Kleintierzüchterverein und ich unsere gesamten Websites umbauen müssen, damit auch ja überall ein Link zur Datenschutz-Seite drauf ist, die sowieso niemand liest, auch wenn sie nur kurz ist.

14.04.2018
Hygiene

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich, was die Psychotherapie angeht, in den letzten 20 Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Nun hat sie ihr "Kompetenzzentrum (CoC) Hygiene und Medizinprodukte" beaufragt, einen "Leitfaden" zur "Hygiene in der psychotherapeutischen Praxis" zu entwickeln, damit in Zukunft noch weniger gekleckert wird und alles sauber bleibt.

Ziemlich am Anfang der 68 Seiten steht dort:

Begrüßung und Verabschiedung sind in vielen psychotherapeutischen Beziehungen als Signal für Anfang und Ende der Sitzung und als in der Regel einziger körperlicher Kontakt zwischen Psychotherapeut und Patient von besonderer psychischer Bedeutung. Wie jede seelische Berührung ist auch die körperliche Berührung mit "Ansteckungsgefahr" verbunden.

Man muss sowas ein paarmal einwirken lassen. Da gibt es Feinheiten, deren besondere psychische Bedeutung in der Regel nicht sofort erkannt wird.

Jetzt zum praktischen Teil (S.11):

Im Praxisalltag ist Händewaschen in folgenden Situationen erforderlich:
• vor Arbeitsbeginn
• nach Arbeitsende
• nach dem Toilettengang
• nach sichtbarer Verschmutzung
Für eine optimale Händehygiene sollen leicht erreichbare Handwaschplätze mit warmem und kaltem Wasser aus der Einhebelmischbatterie, Spendern mit Waschlotion, Einmalhandtüchern und Abwurfbehälter zur Verfügung stehen. [...]
Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sollen die Armaturen der Handwaschplätze an Arbeitsplätzen mit direktem Patientenkontakt ohne Handberührung bedienbar sein.

68 Seiten, wie gesagt. Ich habe aber nicht weitergelesen, sondern mich auf einmal daran erinnert, wie "Tante" Käthe im Kindergarten Rosenbergstraße in Stuttgart uns die Sache mit dem Händewaschen erklärt hat und dass das eine schöne Zeit war, ganz ohne Lesen.

01.02.2018
Anstoß

Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin erklärt auf ihrer Website in "Leichter Sprache", was man dort studieren kann, nämlich "Sozial-Arbeit und Sozial-Pädagogik", und dass "Leichte Sprache wichtig [ist] für Menschen mit Lern-Schwierigkeiten."

Hochschule in "Leichter Sprache". Charmant und sehr ausbaufähig. Sollte man auch den Mathematikern und den Germanisten mal vorschlagen.

An der Hauswand stand dort bis jetzt ein Gedicht von Eugen Gomringer. Es lautet:

avenidas
avenidas y flores

flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres

avenidas y flores y mujeres y
un admirador

(Alleen / Alleen und Blumen // Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen // Alleen und Blumen und Frauen und / ein Bewunderer)

Wie (u.a.) Heise berichtet, nahm die Studentenvertretung daran Anstoß, weil es sexistisch sei. Es soll ersetzt werden.

Da wird sich bestimmt etwas finden lassen in Leichter Sprache, Leichtem Denken und Leichtem Brechreiz.

28.12.2017
Niederlassungswille

In einem Rundbrief zum Jahreswechsel schreibt der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg:

Die derzeitigen dialektischen Spielereien um eine Bürgerversicherung oder Einheitliche Gebührenordnung verunsichern existenziell die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten nachhaltig und werden, wenn die Diskussion nicht rasch eine Richtung nimmt, die den Erhalt der Praxen anzeigt, zu einem Zusammenbruch des Niederlassungswillens der nachkommenden Generation führen. […] Unter den budgetierten Rahmenbedingungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung können auf dem heutigen Niveau der Vergütung die Praxen ohne die Einnahmen aus Privat- und Selektivveinnahmen und weiteren in der Regel nicht überleben.

Gut, das ist syntaktisch etwas skurril, aber wenigstens ist der Gedanke eine Unverschämtheit.

10.09.2017
Reisewarnung

Der türkische Präsident Erdogan, dessen Trump-Koeffizient nicht von Pappe ist, erließ eine Reisewarnung für Deutschland.

Jetzt meckern die Österreicher, dass sie nicht auch eine kriegen, und deutsche Hoteliers befürchten katastrophale Umsatzeinbußen durch die ausbleibenden türkischen Touristen.

31.05.2017
DÄT120

Am 26.5. ging der 120. Deutsche Ärztetag zu Ende. Das Beschlussprotokoll ist zum Thema Psychotherapie diesmal erstaunlich mager. Im wesentlichen geht es darum, dass man sich "Einfluss nichtärztlicher Berufsgruppen [gemeint sind PP/KJP] auf die ärztliche Weiterbildung" verbittet, dafür aber die "Bundesärztekammer in die Beratungen zur Ausbildung psychologischer Psychotherapeuten einbeziehen" soll.

14.05.2017
Digitales

Gunter Dueck ist Mathe-Professor und war Chief Technology Officer bei IBM. Jetzt hält er Business-Vorträge und sein Stil gefällt mir sehr. Von BWL-ern hält er genau so viel wie ich, nämlich nichts. Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, findet er auch die meisten Meetings, Brainstorming etc. blöde, weil sie den Fortschritt aufhalten. Hier beginnen sich unsere Ansichten zu trennen, weil ich glaube, dass der Fortschritt aufgehalten bzw. gebremst werden muss, und wenn der Brainstorming-Unfug dazu beiträgt, bin ich dafür. Wir haben nämlich inzwischen keine Zeit mehr, noch etwas zu verstehen weil wir vollauf damit beschäftigt sind, der Fortschritts-Karotte hinterherzurennen, die da vor uns hingehalten wird. In der Physik, beispielsweise, gibt es deshalb seit fast 100 Jahren keine großen Entwürfe mehr. Der gegenwärtige Fortschritt ist nur noch ein technologischer und vor allem ein ökonomischer.

Von der Generation der Digital Natives hält Dueck viel. Ich weiß noch, was Umgekehrte Polnische Notation, ein FIFO stack oder eine von-Neumann-Architektur ist und wie Assembler-Code aussieht. Tablets und Smartphones sind für mich keine Computer, sondern computerisierte Spielzeuge und Kommunikationsgeräte, auf die der Anwender nur noch sehr begrenzten Zugriff hat. Und obwohl es natürlich unter den jungen Digital Natives viele echte Fachleute gibt, werden die meisten zu immer dümmeren Usern erzogen. Ich halte die digitale Verblödung nicht nur, wie Spitzer, aus neuropsychologischen Gründen für verheerend, sondern auch aus kulturellen. Wenn da eine Generation heranwächst, die ihre Nachrichten aus den (a)sozialen Medien wie Facebook und Twitter bezieht, dann spielt es keine Rolle mehr, ob diese Nachrichten 'objektiv' stimmen. Dann kommt es auf den 'Gefühlswert' an. Folgerichtig gibt es inzwischen Programme, die systematisch falsche Nachrichten in diese Medien injizieren. Die Wahrheit wird beliebig.

Ich kann nicht ausschließen, dass meine Bedenken die eines alten Mannes sind, der, wie in jeder Generation, den Eindruck hat, dass die folgende etwas fundamental falsch macht. Und ich bin bereit, auf die Kraft der Evolution zu vertrauen; darauf, dass da am Ende noch etwas Gutes herauskommt. Aber eine leichte Übung ist das im Moment nicht.

14.05.2017
Dream

Der amerikanische Traum ist der Traum, im Lotto zu gewinnen. Nur dass die dazu notwendige Blödheit nicht nur mittwochs und samstags in Erscheinung tritt, sondern das ganze Leben bestimmt. In irgendeinem Video sagte ein zahnloser, heruntergekommener Mann auf die Frage, ob denn der amerikanische Traum für ihn funktioniert habe: "Nein. Aber es hätte sein können." Diese Leute gehen dann her und geben psychopathischen Tele-Evangelisten noch ihr letztes Geld, weil die ihnen versprechen, dass sie im Lotto gewinnen werden, wenn sie es tun.

Einerseits ist das der amerikanische Optimismus, der nie aufgibt, imstande ist, ungeheure Projekte zu stemmen, die sich dann auch tatsächlich für einige auszahlen, so wie tatsächlich jede Woche irgend jemand im Lotto gewinnt. Andererseits ist es eine Tragödie.

07.05.2017
Fakten

BWL-er haben ihre eigene Psychologie, ihre eigene Physik und ihre eigene Mathe. Das passt gut in eine Zeit, in der der Begriff 'Faktum' wörtlich genommen wird: 'das Gemachte'. Fakt ist nicht, was ist, sondern was draus gemacht wird. Fakt ist also folgendes:

  • Der rote Bereich auf dem Drehzahlmesser ist die Normbetriebszone.
  • Multitasking ist viel effizienter als 'eins nach dem andern'.
  • Bei einem Brainstorming kommen gute Ideen heraus. Langes Nachdenken schadet und kostet Geld.
  • Überlastung ist ein Zeichen von schlechter Motivation. Die Lösung lautet: Tschaka.
  • Ressourcen sind unendlich.
  • Deshalb ist Wachstum grundsätzlich in Prozent anzugeben, also exponentiell.
  • Es geht ums Gewinnen.
  • Universelle wissenschaftliche Maßeinheit ist der Dollar. Alles andere sind Hilfsgrößen.
05.04.2017
LGBT

Soeben erfinde ich folgende Zuschrift an eine x-beliebige Zeitung:

Ich bin Deutsche*r mit bolivianischen Wurzeln, Cisgender Transperson Non-Binary Fluid, Gaia-gläubig, vegan, und ich möchte, dass all diesen wesentlichen Merkmalen in der Sprache Rechnung getragen wird! Es geht einfach nicht, es bei der sprachlichen Differenzierung des Geschlechts als Mann oder Frau zu belassen, vom Rest ganz zu schweigen. Die Vielfalt menschlicher Erscheinungen kann so nicht abgebildet werden und ich fühle mich durch absolut keinen der Texte, die ich jemals gelesen habe, angesprochen und repräsentiert. Wir alle haben ein Recht auf angemessene sprachliche Würdigung!!

Das hat jetzt gut getan. Wahnsinn entspannt manchmal.

30.03.2017
Gründe

Zum 1.4.2017 werden die Psychotherapie-Richtlinien geändert. Es gibt dann obligate Sprechstundentermine, also warten die Patienten erst nach diesem Termin auf einen Therapieplatz. Es wird auch feste Telefonzeiten geben, wo ich erläutere, dass ich noch weniger Therapieplätze habe, weil ich stattdessen zu festen Telefonzeiten erläutere...

All das und noch viel mehr, hat, so versichert man uns, "Tragende Gründe".

"Tragende Gründe". Erhaben ist das. Bedeutungsschwer. "Ethos-petetos" nannte Karl Kraus sowas.

Genauer besehen sind die Tragenden Gründe Latrinenbalken. Darunter tun sich die Abgründe auf, in denen Patienten und Therapeuten vor sich hin wirtschaften. Ab und zu kommt was von oben. Es ist aber kein Geld - an der katastrophalen Lage der psychotherapeutischen Honorierung im Vergleich zur übrigen Ärzteschaft hat sich nix geändert. Wird es auch nicht. Gerade gestern gab's den Beschluss zur Vergütung der neuen Positionen.

Vielmehr werden die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse, welche die Patienten so krank machen, dass sie in Scharen um Therapie nachsuchen, im Rahmen des Möglichen und seit langem auch an uns Therapeuten durchexerziert. Damit wir gefälligst ein Einfühlungsvermögen haben. Und punktgenaue Interventionen anbieten können: "Also, ich tät' Ihnen raten, dass Sie den Kopf nicht hängen lassen, wenn Ihnen die Scheiße bis ans Kinn steht."

18.03.2017
Begriffe

"Mörder" sollte man sagen, anstatt "Terrorist". Ich habe schon Eltern gehört, die ihre Kinder scherzhaft 'kleine Terroristen' genannt haben. Sie würden wahrscheinlich nicht 'kleine Mörder' sagen. Das Wort "Terrorist" ist ein Allerweltswort, das Wort "Mörder" nicht.

Absatz 2 des §211 StGB lautet:

"Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."

Wenn da also einer hergeht und aus religiösen Motiven Leute umbringt, dann ist er ein Mörder und ich halte es für einen Fortschritt, dass auch die deutschen Gerichte diese religiösen Motive inzwischen zu den niedrigen Beweggründen zählen.

Desgleichen: "Asozial" ist, wer durch sein ökonomisches oder politisches Handeln zur Befriedigung seiner Machtgelüste, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen ermöglicht und es zu verantworten hat, dass Leute mit einem Vollzeit-Job ihre Familien nicht ernähren können.

11.01.2017
Denkfehler

Ein fundamentaler, durch die Globalisierung erdumspannender und in seinen Auswirkungen verheerender Denkfehler hat um sich gegriffen. Es geht um die Verwechslung des Kleinen mit dem Großen, des Teils mit dem Ganzen. Logisch und physikalisch betrachtet, können wir eine Art Systemhierarchie erstellen, in der das Ökosystem, also die Natur und unsere Lebenswelt, an oberster Stelle steht. Darin ist als ein Teilsystem die menschliche Gesellschaft in ihren verschiedenen Ausprägungen enthalten. Das Überleben der Menschen ist abhängig von Funktionen des sie enthaltenden Ökosystems. Eine Teilmenge der Gesellschaft wiederum ist ihr ökonomisches System, das von der Existenz und dem Funktionieren dieser Gesellschaft abhängt - und damit selbstverständlich auch vom umfassenden Ökosystem.

Seit der Neuzeit hat unsere 'Beherrschung' der Natur im griechisch-christlich-jüdischen Einflussbereich gewaltige Fortschritte gemacht. Damit begann sich diese Hierarchie umzudrehen und wir sahen in der Natur mehr und mehr ein uns untergeordnetes System ('Machet euch die Erde untertan'). In den letzten hundert Jahren gewann dann die Ökonomie - hauptsächlich in Form einer immer weiter beschleunigten kapitalistischen Produktionsform, der Finanzindustrie und der sogenannten 'Märkte' - dermaßen an Einfluss, dass sie sich an die Spitze der Hierarchie stellte und sich Gesellschaft und Natur sozusagen einverleibte. Das Funktionieren unserer Gesellschaft und der Lebensumwelt wird nun von ökonomischen Faktoren bestimmt, die diese übergeordneten Systeme in ihren Dienst zu nehmen bestrebt sind oder sie überhaupt nicht mehr im Blick haben. Durch die Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen und durch die weltumspannenden elektronischen Medien findet dieser Prozess so gut wie überall statt und seine Wirkungen sind nicht mehr auf einzelne Länder oder Gebiete beschränkt, so dass die nicht 'befallenen' Gebiete, wenn der Prozess schiefgeht - und das wird er mit Sicherheit -, von den Folgen ausgenommen bleiben und überleben. Die ökologische Katastrophe, die vor dreihundert Jahren zum völligen Zerfall der Kultur auf der Osterinsel (Rapa Nui) führte, ließ die übrige Welt unberührt. Heute würde wahrscheinlich nur noch die Osterinsel unberührt bleiben, weil es da niemanden mehr gibt.

Ein Indiz für die Kraft dieses Denkfehlers ist der gut gemeinte und dennoch von ihm völlig durchdrungene Begriff des Naturschutzes. Früher war 'draußen' die Wildnis, die unberechenbare Natur, und 'drinnen' der gegen die äußeren Einflüsse umzäunte Kral, das bewehrte Dorf. Heute ist die Wildnis selbst in Reservate eingehegt und wird vor dem Treiben des Menschen geschützt. Was einmal das 'Draußen' war, dem wir unterlagen, ist zu einem 'Drinnen' geworden, das uns unterliegt.
Diese Art von Naturschutz rekapituliert den Denkfehler. Die Natur hat nämlich von ihrer Größe nicht das geringste eingebüßt. Sie ist ohne die Dinosaurier zurechtgekommen, ohne die 95% aller Arten, die während des Massensterbens gegen Ende des Perm zugrunde gingen, und sie wird auch sehr gut ohne uns zurecht kommen. Naturschutz, in diesem Sinne, ist ein vollkommener Unsinn; was wir eigentlich mit solchen, in ihren Einzelheiten fast kindischen Mitteln zu schützen versuchen, sind unsere eigenen Lebensbedingungen als Spezies, die wir selbst - und das ist die eigentliche Geistesverwirrung - einem der ihr untergeordneten Systeme, nämlich der Ökonomie, zu opfern bereit sind.

Die Stabilität des Denkfehlers konnte Anfang 2017 auch in der Weise getestet werden, dass man die barmherzigen Schleier, die diebszüglich noch über den bisherigen Regierungshäuptern der USA lagen, nun fallen ließ und einen - mindestens im obigen Sinne - offen und für alle erkennbar Verrückten zum Präsidenten machte. Die Umnachtung hat dermaßen um sich gegriffen, dass man in der Tat auf die sie verhüllenden Schleier verzichten kann. Man bekämpft den "Sumpf der Korruption" im politischen "Establishment", indem man die Milliardäre gleich selber zu Ministern macht. Die braucht man dann nicht mehr zu bestechen. Kinderschänder leiten aufgrund ihrer pädophilen Qualifikation Tagesstätten und Waisenhäuser. Messerstecher firmieren als Chirurgen.

Aber wir merken's nicht so recht, denn der Denkfehler schützt sich durch eine Art Immunität, die im gesellschaftlichen Vordringen des Post-Faktischen besteht, ein Begriff, der sowohl im Englischen ('post-truth') wie auch im Deutschen zum Wort des Jahres 2016 gekürt wurde. Glauben wir überhaupt noch, dass es eine reale, nicht-virtuelle Welt gibt? Oder dass sie, wenn es sie gibt, einen nennenswerten Einfluss auf unser Leben hat?

Ein Teil dieses Textes wurde übernommen von
http://psyon.com/garten/oekologie.php

27.12.2016
Passwörter

Das weltweit meistgebrauchte Passwort ist laut einem Bericht bei Heise immer noch "123456". Für .de-Domains sieht die Rangfolge der häufigsten 10 Passwörter so aus:

  1. hallo
  2. passwort
  3. hallo123
  4. schalke04
  5. passwort1
  6. qwertz
  7. arschloch
  8. schatz
  9. hallo1
  10. ficken

Was denn? Passwörter musste dir gut merken können. Das iss die Hauptsache. Nützt ja nun auch nix, wenn du in dein eigenen Computer nicht mehr reinkommst, weil du schon wieder das doofe Passwort vergessen hast.

09.11.2016
Wa(h)lpurgisnacht

Mir fällt zu Trump nichts ein.

http://trumptwitterarchive.com

02.07.2016
Wahrnehmungsbiologie

In einem "Profil des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" schreibt der zugehörige Berufsverband BPM:

Die Verhaltenstherapie, aus der Lerntheorie kommend, konzentrierte sich in ihren Anfängen überwiegend auf Verhaltenskorrekturen durch Umlernen pathologischer Bewältigungsstrategien und erwarb sich in diesem Bereich einen großen Fundus an Erfahrungen.
Nach einem Paradigmenwechsel ist sie jetzt auch mit Fragen der Kognition und der Affekt- und Beziehungsdynamik befasst. Die Nähe zu Humanethologie und Wahrnehmungsbiologie erleichtert die Integration in den medizinisch-psychologischen Kontext von Wahrnehmung und Bewusstsein.

"Humanethologie und Wahrnehmungsbiologie". Die würden eher in einen Pferdeapfel beißen als "Psychologie" zu schreiben. Psychologie kommt nur "medizinisch-psychologisch" vor. Wie verzweifelt muss man eigentlich sein, um so was zu Papier zu bringen?

24.06.2016
Brexit

"Das geschieht euch recht!" sagten die Briten und hackten sich die Beine ab.

31.05.2016
Unterschriften

Die Delegierten des 119. Deutschen Ärztetags machen sich Sorgen wegen der ökonomischen Einflüsse auf die Medizin, nehmen zur Kenntnis, dass inzwischen 97% der leitenden Ärzte Verträge mit finanziellen Anreizen (incentives) unterschreiben und beschließen einstimmig:

Betriebswirtschaftliche Parameter [dürfen nicht] individuelle und institutionelle Ziele ärztlichen Handelns definieren, ohne dass es eine medizinische Begründung gibt, die sich am Patientenwohl orientiert.

Ihr seid sooo süß! Ich könnt' euch knuddeln!

03.02.2016
Razzia

Die Berliner Staatsanwaltschft ermittelt gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung wegen "Untreue in Millionenhöhe" und ließ deren Räume durchsuchen.

Nein, mit den Psychotherapeutenhonoraren hat es nichts zu tun. Es gibt da wohl noch andere Sauereien.

16.12.2015
Ordnungspolitik

In einer Pressemitteilung vom 20.8.15 schreibt der Bundesverband Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (BDPM):

Der BDPM als zuständiger ärztlicher Bundesverband tritt federführend für den Erhalt der ordnungspolitischen ärztlichen Zuständigkeiten ein und positioniert sich entschieden gegen eine rückwärtsgerichtete Aufspaltung von Seele und Körper durch die Schaffung eines neuen Heilberufs. [...]

[...] die Schaffung eines neuen Heilberufes, eines direktausgebildeten und approbierten "Psychotherapeuten" ohne wirkliche psychotherapeutische Befähigung - aber mit der Ausstattung ärztlicher Aufgaben ohne Medizinstudium - ist ein ordnungspolitscher Unsinn ersten Ranges.

Besonders im Lichte des Umstandes, dass es einen neuen Heilberuf seit 1999 schon gibt, ist das "rückwärtsgerichtet" ein ausbaufähiges ordnungs­politisches Konzept:

Die Schaffung eines neuen Heilberufes, eines direktausgebildeten und approbierten "Zahnarztes" ohne wirkliche zahnmedizinische Befähigung - aber mit der Ausstattung ärztlicher Aufgaben ohne Humanmedizinstudium - ist ein ordnungspolitscher Unsinn ersten Ranges.

Der BDXY als zuständiger ärztlicher Bundesverband tritt federführend für den Erhalt der ordnungspolitischen ärztlichen Zuständigkeiten ein und positioniert sich entschieden gegen eine rückwärtsgerichtete Aufspaltung von Zähnen und Körper durch die Schaffung eines neuen Heilberufs.

09.12.2015
Hirntod

Deutschland schickt Soldaten gegen den IS, der Menschen köpft und steinigt. Und Waffen nach Saudi-Arabien, das Menschen köpft und steinigt.

Mit global vereinten Kräften sägen wir an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Beim Klimagipfel sagen die Chinesen und die Inder, sie hätten ja mit dem Sägen erst so richtig angefangen und also noch einiges aufzuholen. Die Amerikaner sind der Ansicht, der ganze Ast gehöre sowieso ihnen und sie würden sägen, wie es ihnen passt. Die Deutschen betonen, sie sägten seit längerem deutlich weniger, aber ein bisschen mitsägen müsse man ja schon.

Ein offensichtlich Geistesgestörter bewirbt sich um die republikanische Präsidentschaftskandidatur der Astbesitzer. Und liegt auf dem ersten Platz.

27.11.2015
Unterstützung

Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie meinen sich selbst, wenn sie von 'Psychiatern und Psychotherapeuten' sprechen. Z.B. hier: "Wir werden nicht mehr Psychiater und Psychotherapeuten ins System bekommen".

Wahrscheinlich verstehen auch nur sie selbst, dass sie sich selbst meinen. Alle anderen verstehen "Psychiater und Psychologische Psychotherapeuten."
Wir danken für die Unterstützung.

04.10.2015
Honorarbetrug

Was die Funktionäre der gesetzlichen Krankenkassen - ohne jede effektive Gegensteuerung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) - seit vielen Jahren mit den Psychotherapeuten veranstalten, ist schlicht und ergreifend Honorarbetrug. Psychotherapeuten, denen wissenschaftliche Untersuchungen und sogar die Kassen selbst hohe Effektivität und eine unersetzbare Rolle im Gesundheitswesen bescheinigen, werden in einer kaum zu fassenden Art und Weise über den Tisch gezogen und man fragt sich, wie so etwas in unserem Rechtsstaat möglich ist.

Weshalb?
Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Krankenkassen und der KBV wiederholt (1999, 2004 und 2008) auferlegt, für eine angemessene Vergütung der Psychotherapeuten zu sorgen, also eine vollausgelastete psychotherapeutische Praxis wenigstens mit einer mittelmäßig ausgelasteten Facharztpraxis gleichzustellen und damit der seit zwei Jahrzehnten zunehmend auseinanderklaffenden Einkommensschere gegenzusteuern.

Der dafür zuständige Bewertungsausschuss, an dem Kassen und KBV beteiligt sind, ließ den dafür vorgegebenen Termin (30.6.2014) erst einmal ausgiebig verstreichen. Als die Aufgabe aber dadurch nicht verschwand, machte man sich auf die Socken und 'löste' sie durch einen Beschluss des (mit Kassen- und KV-Vertretern besetzten) Bewertungsausschusses vom 22.9.2015:

Die (somatischen) Ärzte bekommen nächstes Jahr 3,8% (sic!) mehr Honorar; die Psychotherapeuten 2,7% (sic!).

Damit sich durch diese verwegene Maßnahme die Schere nicht allzu schnell schließt, kündigte die KV-BW ihren psychotherapeutischen Mitgliedern an, viele nicht-genehmigungspflichtige Leistungen - Tests, biographische Anamnese und vor allem die psychotherapeutischen Gespräche zur Nachsorge - nicht mehr, wie bisher, mit einem Mindestbetrag von 80% des normalen Honorars sondern mit einem deutlich niedrigeren Honorar zu vergüten, das sich nach der Anzahl der abgerechneten Leistungen richtet und nicht vorhersagbar ist.

Die 2,7% gelten rückwirkend ab 2012. Aber nur für diejenigen, die bei jeder Honorarabrechnung Widerspruch eingelegt haben. Seit über 15 Jahren muss einer psychotherapeutischen Honorar­abrechnung grundsätzlich widersprochen werden, sonst kriegt man keine Nachzahlungen. Psychotherapeuten sind also gezwungen, jedes einzelne Mal durch einen Widerspruch auf die völlig ungerührt weitergeführte Unrechtmäßigkeit der Honorarabrechnung hinzuweisen.

In die jetzige Erhöhung eingerechnet ist ein "Strukturzuschlag", den nur bekommt, wer mehr als 774 genehmigte Therapiestunden im Jahr abrechnet. Damit soll eine Halbtagskraft fürs Büro angestellt werden können. In Wirklichkeit umgeht man damit aber die Vorschrift des BSG, alle Psychotherapeuten ausreichend zu bezahlen. Hinzu kommt noch, dass - wieder gegen die Auflage des BSG - zur Berechnung der Erhöhung die veralteten Vergleichs­zahlen von 2007 zugrundegelegt und die gut verdienenden Facharztgruppen der Augenärzte und Orthopäden aus der für die Berechnung maßgebenden Facharzt-Vergleichsgruppe einfach entfernt wurden. Dadurch und durch ein kompliziertes Herabrechnungsverfahren bleibt dieser Zuschlag - der in geradezu hinterhältiger Verlogenheit mit dem rechnerisch völlig unerreichbaren Wert von 14,30 Euro verkündet wird - für die allermeisten Psychotherapeuten unerheblich. Zudem ist ein enormer Verwaltungsaufwand bei den KV-en erforderlich, weil die Honorare für jede Praxis einzeln berechnet werden müssen.

Hausärzte und Psychotherapeuten haben eine Bindung zu ihren Patienten, weil sie sie über längere Zeit regelmäßig sehen und sich für ihre Lebensumstände, Sorgen und persönlichen Probleme interessieren. Somatische Fachärzte und Krankenhausärzte dagegen sind eine Art Bio-Ingenieure, die einen technisch hochqualifizierten Job bei der Behandlung einzelner Organe und Organsysteme machen, aber in aller Regel eine solche Bindung nicht haben.

Bemerkenswert ist, dass die niedergelassenen somatischen Fachärzte die Spitzenverdiener im System sind. Es zeigt die Schwerpunktsetzung: Bindung wird nicht honoriert.

Vielmehr vermute ich, dass bei den Honorarverhandlungen die Bindung gegen die Psychotherapeuten eingesetzt wird: "Die werden ihre Patienten schon versorgen, auch wenn wir ihnen wenig bezahlen. Die können gar nicht anders". Stimmt! Und es macht diesen Honorarbetrug um so viel schlimmer, um so viel zynischer und um so viel erbärmlicher.

01.07.2015

Gender

Deutsche Hochschulen sind wohl doch tiefgründiger angelegt, als ich dachte. Meine Vermutung, dass unterhalb des Niveaus von BWL-Professoren nichts mehr kommt, stellt sich als falsch heraus: es gibt Gender-Professuren. Einige dieser Leerkräfte scheinen der Ansicht zu sein, für eine wissenschaftliche Arbeit reiche es nicht aus, wissenschaftlich zu sein, sondern sie muss auch "gendergerechte Sprache" verwenden, sonst gibt's Punktabzug.

Hier geht es also nicht um Wissenschaft, sondern zunächst einmal um eine Anordnung von Newspeak, von der ich nicht glaube, dass sie mit dem selbstverständlichen Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau noch etwas zu tun hat, sondern die Sprache unter dem Vorwand, sie sei lediglich ein beliebig manipulierbares soziales Konstrukt, der literarischen Unbrauchbarkeit überantwortet.

Die Gleichstellung wird auf die Ebene der Sprachregelungen verschoben, so als könnte man eine Mauer dadurch entfernen, dass man sie auf dem Bauplan ausradiert. Außerdem wird das, was eigentlich zusammengehören und eben gleichgestellt werden soll, erst einmal antagonistisch einzementiert. Dialektischer Sexismus; die intendierte Synthese: es is eh alles gleich.
(Ach ja, Jim Knopf sollte ja auch kein 'Neger' mehr sein, weil nämlich, so die Gender-Denke, auch der Rassismus in der Sprache und nicht in uns selbst ist und von einem Ausdruck wie 'stark pigmentiert' endgültig besiegt werden wird.)

Vielleicht - horribile dictu - wollen ja auch nur böse Männer ihre Mauer behalten und haben den teuflischen Plan ausgeheckt, an Hochschulen Radierprofessuren einzurichten.


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